Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten eines persönlichkeitsbildenden Lehrgangs
Leitsatz (redaktionell)
1) Lehrgänge, die die Persönlichkeitsentwicklung zum Gegenstand haben, können zu Werbungskosten führen, wenn sie primär auf die spezifischen Bedürfnisse des vom Steuerpflichtigen ausgeübten Berufs ausgerichtet sind.
2) Zur Gesamtbeurteilung verschiedener Lehrgänge (Geldtraining; Empowerment-Training; Contextual Coaching).
3) Lehrgangskosten, die entstehen, um zukünftig als Trainer derartige Lehrgänge zu veranstalten, stellen vorweggenommene Werbungskosten dar.
Normenkette
EStG § 12 Nr. 1, § 9 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen für die Teilnahme an verschiedenen Seminaren als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.
Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Beide sind Diplom-Ingenieure. Sie wohnten im Streitjahr zunächst in I-Stadt. Der Kläger war bei der U-AG beschäftigt. Zum 01.06.2006 wechselte er zur WM-GmbH & Co. KG mit Sitz in L-Stadt. Der Kläger wurde zum Geschäftsführer der Komplementär-GmbH (der WM-Beteiligungs-GmbH) bestellt; die WM-GmbH & Co. KG hatte im Streitjahr rd. 20 Mitarbeiter. Die Klägerin war von Januar bis Mitte April 2006 bei einer in der Universität B-Stadt angesiedelten Einrichtung der N-Gesellschaft nichtselbständig tätig und bezog für diesen Zeitraum einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 4.360 EUR. Von Mitte April bis Ende Juli 2006 erhielt sie Arbeitslosengeld. Infolge des Arbeitsplatzwechsels des Klägers zogen die Kläger im Verlauf des Streitjahres nach M-Stadt. Seit Februar 2007 ist die Klägerin bei der WD-GmbH & Co. KG angestellt, die ihren Sitz in P-Stadt hat und Dienstleistungen im Bereich der technischen und betriebswirtschaftlichen Beratung (einschließlich der Durchführung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen) anbietet. Die Klägerin führt für die WD-GmbH & Co. KG Coaching-Maßnahmen (Business- und persönliches Coaching) durch. Ihr Bruttoarbeitslohn belief sich im Jahr 2007 auf 15.243 EUR und im Jahr 2008 auf 21.043 EUR.
Im Streitjahr nahmen die Kläger Seminarangebote der D-Academie KG (C-Stadt) wahr: Am 24. und 25.05.2006 absolvierten beide das Seminar „Geldtraining”; vom 29.06. bis 02.07.2006 nahm der Kläger am „Empowerment-Training” teil; an drei Wochenenden des Streitjahres (11. bis 13.08., 27. bis 29.10. und 08. bis 10.12.) und vier Wochenenden des Folgejahres durchliefen beide Kläger eine „Coaching Ausbildung”. Wegen der Inhalte der Seminare und der – potentiellen – Teilnehmerkreise wird auf das Informationsmaterial Bezug genommen, dass die D-Academie dem Beklagten mit Schreiben vom 04.03.2008 im Einspruchsverfahren übersandt hat. Die Gebühren für alle Seminare wurden im Streitjahr fällig und wurden von den Klägern entrichtet.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger jeweils Werbungskosten in Höhe von 9.578 EUR bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Wegen der Ermittlung dieses Betrags wird auf die Zusammenstellung in der Anlage „Fortbildungskosten 2006” zur Einkommensteuererklärung Bezug genommen.
Der Beklagte berücksichtigte diese Aufwendungen nicht. Sie seien wegen des vorwiegend persönlichkeitsbildenden Charakters der Seminare nicht als Werbungskosten abziehbar. Die Kläger legten Einspruch ein und machten geltend: Der Kläger sei alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer eines Unternehmens mit 21 Mitarbeitern und stehe ständig im engen Kontakt zu Mitarbeitern und Kunden. Eine sichere und zielführende Kommunikation sei unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Unternehmensführung. Die Inhalte der Coaching Ausbildung seien auf diese Erfordernisse abgestimmt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Einspruchsschreiben beigefügte Erklärung des Klägers vom 23.11.2007 Bezug genommen. Die Klägerin sei inzwischen bei der WD-GmbH & Co. KG in P-Stadt angestellt. Die absolvierte Ausbildung verwende sie bei dieser Tätigkeit. Sie biete für ihren Arbeitgeber Business-Coaching und Team-Coaching an. Momentan betreue sie im Rahmen dieser Tätigkeit Kunden im Bereich Teamentwicklung durch Veranstaltung und Leitung von Teamentwicklungsseminaren. Die Kläger reichten in diesem Zusammenhang eine Bescheinigung der WD-GmbH & Co. KG ein, in der es heißt, im Sommer 2007 sei dem Dienstleistungsangebot des Unternehmens Business- und persönliches Coaching hinzugefügt worden. Die Klägerin sei im Frühjahr 2007 unter der Voraussetzung eingestellt worden, dass sie die Coaching Ausbildung der D-Academie KG, C-Stadt absolviere, um diesen neuen Bereich zu betreuen. Seit ihrer Anstellung habe sie für das Unternehmen erste Coaching-Maßnahmen akquiriert und durchgeführt.
Im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens schrieb der Beklagte die D-Academie KG an und bat darum, detaillierte Veranstaltungsprogramme über die von den Klägern gebuchten Seminare, eine Liste mit Namen und Anschriften aller anderen Seminarteilnehmer sowie Angaben zur beruflichen Tätigkeit der anderen Seminarteilnehmer vorzulegen...