Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Durchgriff nach § 6 Abs. 3 GrEStG durch Kapitalgesellschaft
Leitsatz (redaktionell)
In Fällen des fiktiven Erwerbs nach § 1 Abs. 2a GrEStG ist § 6 Abs. 3 GrEStG nicht anwendbar, wenn unmittelbar Beteiligte eine Kapitalgesellschaft ist.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 2a; KStG § 37 Abs. 7; KStG a.F. § 47 Abs. 1; AO § 182 Abs. 1; GrEStG § 6 Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob § 6 Abs. 3 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) Anwendung findet.
Die Klägerin, deren Geschäftsleitung sich im Bezirk des Beklagten befand, besaß mehrere Grundstücke, die in den Bezirken anderer Finanzämter lagen. Kommanditistin der Klägerin und zu 100 % an ihrem Vermögen beteiligt war die H P Q GmbH, Komplementärin die Q Verwaltungs GmbH, deren Stammkapital zu 100 % von der H P Q GmbH gehalten wurde. Alleiniger Gesellschafter der H P Q GmbH war Herr X Q. Diese Beteiligungsverhältnisse bestanden seit Beginn der Klägerin am 31.12.1998.
Im Jahr 2005 übertrug die H P Q GmbH einen Teilbetrieb als Gesamtheit im Wege der Umwandlung durch Abspaltung auf die dadurch neu entstandene Q Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG; übertragen wurden insbesondere der Kommanditanteil an der Klägerin sowie der Anteil am Stammkapital der Q Verwaltungs GmbH. Kommanditist der Q Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG sowie zu 100 % an deren Vermögen beteiligt war Herr X Q. Komplementärin war die Q Verwaltungs GmbH. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Beteiligten im Verlauf des Klageverfahrens vorgelegten notariellen Urkunden (Urkundenrollen Nr. …/2005 und …/2005 des Notars A, R) verwiesen. Die Abspaltung wurde am 15.12.2005 in das Handelsregister eingetragen. Ein Grunderwerbsteuerbescheid erging zunächst nicht.
Im Jahr 2007 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung E eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch. Der Prüfer gelangte zu dem Ergebnis, dass der Abspaltungsvorgang die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 a GrEStG erfülle (Tz. 2.2.2 des Betriebsprüfungsberichts vom 08.02.2008). Der Beklagte folgte dieser Einschätzung. Er erließ am 21.04.2008 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer, den er der Q Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG bekannt gab. Nachdem diese Einspruch eingelegt und der Beklagte den Feststellungsbescheid aufgehoben hatte, erließ er am 08.10.2008 gegenüber der Klägerin einen entsprechenden Feststellungsbescheid. In den Erläuterungen dieses Bescheids heißt es, dass der unmittelbare Übergang sämtlicher Geschäftsanteile der Klägerin von der H P Q GmbH auf die Q Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG dem Tatbestand des § 1 Abs. 2 a GrEStG unterfalle. Die Personenidentität des jeweiligen Alleingesellschafters, Herrn X Q, bei der übertragenden H P Q GmbH und der übernehmenden Q Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG sei unerheblich.
Die Klägerin legte Einspruch ein und vertrat die Ansicht, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 a GrEStG seien nicht erfüllt. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 28.05.2009 als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat Klage erhoben. Sie vertritt nunmehr die Ansicht, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 2 a GrEStG erfüllt sei. Allerdings sei § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG anzuwenden, mit der Folge, dass keine Grunderwerbsteuer zu erheben sei. Im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 a GrEStG würden Kapitalgesellschaften im Hinblick auf mittelbare Änderungen im Gesellschafterbereich als transparent angesehen. Dies müsse denknotwendig auch im Rahmen des § 6 Abs. 3 GrEStG gelten. Dabei könne es keinen Unterschied machen, ob sich der Gesellschafterbestand der Personengesellschaft unmittelbar oder mittelbar ändere. Beide Fälle würden von § 1 Abs. 2 a GrEStG erfasst und unterfielen daher auch dem Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 GrEStG. An der 100% igen mittelbaren Beteiligung des Herrn Q an der Klägerin habe sich durch den Abspaltungsvorgang nichts geändert. Sie sei vor der Abspaltung durch die H P Q GmbH und nach der Abspaltung durch die Q Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG vermittelt worden. Der grunderwerbsteuerliche Zurechnungsträger habe nicht gewechselt. In Fällen wie dem vorliegenden keine Steuer zu erheben, entspreche im Übrigen dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 2 a GrEStG.
Ihre, der Klägerin Ansicht, werde – neben dem Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 17.06.2009 S 4514 – 4 – V A 6 (koordinierter Ländererlass) – durch das im Verlauf des Klageverfahrens ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29.02.2012 (II R 57/09) bestätigt. Das dort gewonnene Ergebnis (Anwendbarkeit des § 6 Abs. 3 GrEStG) lasse sich auf den Fall eines unmittelbaren Gesellschafterwechsels im Sinne des § 1 Abs. 2 a GrEStG übertragen. Maßgeblich sei, dass der BFH die zwischengeschaltete Kapitalgesellschaft im Kontext des § 6 Abs. 3 GrEStG als transparent betrachtet habe.
Der Beklagte hat im Verlauf des Klageverfahrens wegen ...