Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Steuerermäßigung nach § 34g EStG bei Mitgliedsbeiträgen und Spenden an sogenannte Stimmbürgervereinigungen
Leitsatz (redaktionell)
Für Beiträge an eine Stimmbürgervereinigung (hier: Mehr Demokratie e. V.), deren Zweck nicht darauf gerichtet ist bei Wahlen, sondern vor und bei Abstimmungen an der politischen Willensbildung mitzuwirken, scheidet eine Steuerermäßigung nach § 34g Nr. 2 EStG aus. Die unterschiedliche Regelung für Beiträge an Parteien und Wählervereinigungen einerseits und Stimmbürgervereinigungen andererseits ist nicht als verfassungswidrig anzusehen.
Normenkette
EStG § 34g Nr. 2; GG Art. 100 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob für den Mitgliedsbeitrag an den Verein „Mehr Demokratie e. V.“ die Steuerermäßigung gemäß § 34g EStG gewährt werden kann.
In der Einkommensteuererklärung 1999 beantragte der Kläger, der mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird, für den Mitgliedsbeitrag in Höhe von 120 DM die Steuerermäßigung nach § 34g EStG. Das Finanzamt folgte diesem Antrag nicht und zog den Betrag stattdessen als Sonderausgabe im Rahmen des § 10b EStG ab. Das Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg. Das Finanzamt führte in der Einspruchsentscheidung aus, die Steuerfestsetzung stehe im Einklang mit dem Gesetz. Die Beschränkung der Steuerermäßigung des § 34g EStG auf Parteien sowie auf Vereine, die an Wahlen teilnähmen, liege im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens.
Mit der Klage macht der Kläger geltend, der Ausschluß von sog. Stimmbürgervereinigungen wie dem Verein „Mehr Demokratie e. V.“ (Rechtsnachfolger des Vereins „Mehr Demokratie in Bayern e. V.“) führe zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung. Stimmbürgervereinigungen erfüllten sowohl bei der grundsätzlichen Einführung, Stärkung und Inanspruchnahme des Instruments der direktdemokratischen Entscheidung als auch bei der Meinungs- und Willensbildung vor einzelnen Volks- und Bürgerentscheiden dieselbe Funktion wie politische Parteien und seien mit diesen vergleichbar. Sie hätten eine sehr viel weiterreichende Wirkung als die durch das Gesetz begünstigten kommunalen Wählervereinigungen, weil sie nicht nur Abstimmungen zu einzelnen Fragen erstrebten, sondern auch strukturelle Reformen anregten, die nur durch Volksgesetzgebung durchgesetzt werden könnten. Ihre Tätigkeit erstrecke sich unter Umständen über viele Jahre und sei mit einem Volksentscheid - etwa mit der Einführung kommunaler Bürgerentscheidungen in Bayern 1995 - nicht beendet. Ihr völliger Ausschluß von steuerlichen Entlastungen diskriminiere die Volksgesetzgebung als originäres, demokratisches Recht. Gemäß Grundgesetz würde die Staatsgewalt vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt (Art. 20 Abs. 2 GG), also durch repräsentative und direkte Demokratie. Wenn Abstimmungen nur für die Neugliederung des Bundesgebietes zwingend vorgeschrieben seien, müsse doch beachtet werden, daß sie für keinen Bereich ausdrücklich ausgeschlossen seien. Anders als im Bundesrecht sei die Volksgesetzgebung in der Verfassung und in den Gesetzen des Volksstaates Bayern voll ausgestaltet. Hier stehe die gesetzgebende Gewalt ausschließlich dem Volk und der Volksvertretung zu, die Staatsbürger übten ihre Rechte aus durch Teilnahme an Wahlen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden sowie Volksbegehren und Volksentscheiden (Art. 7 Abs. 2 Bayerische Verfassung). Daher seien Vereinigungen von Staatsbürgern, die einen Volksentscheid herbeiführten, unter Umständen mit eigenen Rechten ausgestattete Teile eines Obersten Staatsorgans. Kommunale Bürgerbegehren und -entscheide seien durch Volksbegehren und Volksentscheid am 1. 10. 1995 (entsprechend dem Gesetzentwurf des Vereins „Mehr Demokratie in Bayern e. V.“) wieder eingeführt und seitdem - mehr als in jedem anderen Bundesland - ständige Praxis der politischen Willensbildung. Das Bundesrecht müsse auch gemäß Landesrecht praktizierte direktdemokratische Verfahren zur politischen Willensbildung in seine steuerrechtlichen Regelungen einbeziehen, wie es auch kommunale Wählervereinigungen berücksichtige und die Beurteilung der Gemeinnützigkeit von Vereinen im Sinne des Einkommensteuergesetzes Landesbehörden überlasse. Nach allem sei das Verfahren der politischen Willensbildung des Volkes - Wahl oder Abstimmung - kein zulässiges Differenzierungsmerkmal für die Förderung daran mitwirkender Bürgervereinigungen. Alleiniger Maßstab sei vielmehr, mit welchem organisatorischen und finanziellen Aufwand politische Parteien, Wähler- und Stimmbürgervereinigungen bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirkten. Da die Stimmbürgervereinigungen in ihrer Mitwirkung bei der demokratischen Willensbildung regelmäßig mit steuerlich begünstigten Parteien und Wählervereinigungen konkurrierten, verfälsche ihr völliger Ausschluß von einer vergleichbaren Förderung die Wettbewerbslage zwischen konkurrierenden politischen Organisationen, was einen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz beinhalte.
Der Kläger hat ...