Senat bringt Volksbegehren "Hamburg enteignet" vor Gericht
Die Volksinitiative "Hamburg enteignet" will Großvermieter mit mehr als 500 Wohnungen vergesellschaften – in der Bürgerschaft gibt es dafür wenig Unterstützung. Nun hat der Senat einen nächsten Schritt eingeleitet und hat wegen rechtlicher Bedenken das Verfassungsgericht angerufen. Dort ist ein Antrag eingegangen mit dem Feststellungsziel, dass die nächste Stufe – das Anfang November 2023 angemeldete Volksbegehren – nicht machbar ist, wie ein Gerichtssprecher der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mitteilte.
Enteignung von Wohnungsgesellschaften: Dürfen die Bürger bestimmen?
"Das Hamburgische Verfassungsgericht hat in Fällen dieser Art zu prüfen, ob die zugrunde liegende Volksinitiative die Grenzen der Hamburgischen Verfassung wahrt und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist", erklärte Sprecher Kai Wantzen. Aus der Senatskanzlei hieß es, dass diesbezüglich "erhebliche Zweifel" bestünden. Nach Angaben Wantzens entscheidet das Gericht nach der Prüfung über die Umsetzung des Volksbegehrens, das während des Verfahrens ruhe. Käme es zustande, wäre der Weg für einen Volksentscheid frei.
Die Forderung nach einem Vergesellschaftungsgesetz für die Hansestadt haben laut der Initiative "Hamburg enteignet" mehr als 18.000 Bürgerunterstützt. Die Unterschriften der Unterstützer wurden im März 2023 an den Senat übergeben. Dieser bestätigte, dass die erforderliche Zahl von mindestens 10.000 Unterschriften erreicht worden ist. Die Bürgerschaft habe sich in öffentlicher Sitzung mit dem Anliegen befasst. Dort unterstützt jedoch nur die Linksfraktion das Vorhaben.
Kritik an dem Vorgehen des Senats kommt aus der Linksfraktion. Die mietenpolitische Sprecherin Heike Sudmann sagte, eine Enteignung profitorientierter Wohnungsunternehmen würde gegen zu hohe Mieten helfen. Doch der Senat wolle "seinen Kuschelkurs" mit der Wohnungswirtschaft und "windigen" Investoren fortsetzen. Der Gang vor das Verfassungsgericht sei der Wunsch, von dem eigenen Versagen abzulenken, so Sudmann.
Zoff mit Wohnungswirtschaft: Hamburg will sich gütlich zeigen
Im Januar 2023 sorgte ein Kompromiss der Hamburger Regierung mit der Volksinitiative "Keine Profite mit Boden & Miete" für Ärger. Die Wohnungswirtschaft fühlte sich hintergangen. Die Vereinbarung werde den Mangel an bezahlbarem Wohnraum verstärken und gefährde den Bau neuer Wohnungen durch die Genossenschaften erheblich, hieß es.
Die Stadt hatte sich im November 2022 mit den Initiatoren auf folgenden Kompromiss verständigt: Es werden 1.000 Sozialwohnungen pro Jahr mit einer 100-jährigen Mietpreisbindung gebaut und städtische Wohnungen und Grundstücke dürfen nicht mehr verkauft, sondern nur noch im Rahmen des Erbbaurechts vergeben werden. Im Gegenzug haben die Initiativen dann zunächst das Volksabstimmungsverfahren gestoppt.
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) verteidigte die Vereinbarung mit den Initiativen. Sein "Bauchgefühl" spreche nach 30 Jahren in der Politik dagegen, dass ein Volksentscheid am Ende erfolgreich gewesen wäre. Ihm sei aber klar, dass es bei einer 100-jährigen Mietpreisbindung ein "extra Förderprogramm" geben müsse. Außerdem versprach er, dass die Grundstücksvergabe im Erbbaurecht so gestaltet werde, "dass sie immobilienwirtschaftlich rechenbar" bleibe.
Expertenanhörung ohne Wohnungswirtschaft?
Die Wohnungswirtschaft kritisierte auch die Auswahl der Experten für die Anhörung des Verfassungs- und Bezirksausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft zur Einigung mit der Initiative. Unter den zehn Experten sei kein Vertreter der Wohnungsbaugenossenschaften und privater Unternehmen, also jener Firmen, die von der Einigung mit den Initiativen am meisten betroffen wären, erklärten VNW-Direktor Andreas Breitner und Sönke Struck, Vorstandsvorsitzender des BFW Landesverbands Nord, am 26. Januar.
Die Verbandschefs gaben zu Bedenken, dass sich durch den Kompromiss die Probleme auf dem Hamburger Wohnungsmarkt weiter verschärfen werden, weil der Bau von geförderten und frei finanzierten Wohnungen auf den Grundstücken der Stadt gefährdet werde. "Eigentlich müsste die Stadt alles daran setzen, die Baukosten zu senken, damit möglichst rasch bezahlbare Wohnungen errichtet werden können. Stattdessen werden den Wohnungsunternehmen Steine in den Weg gelegt", so Breitner und Struck.
Wohnunspolitik in Hamburg: Die Volksinitiativen
Der Senat stellte am 17.11.2020 das Zustandekommen der Volksinitiativen "Boden und Wohnungen behalten. Hamburg sozial gestalten" und "Neubaumieten auf städtischem Grund. Für immer günstig!" fest, die später gemeinsam unter dem Titel "Keine Profite mit Boden & Miete" auftraten. Die Initiative erreichte damals die im ersten Schritt notwendigen 10.000 Unterschriften.
Die Initiativen wollten eigentlich erreichen, dass in Hamburg der Verkauf städtischer Flächen komplett verboten wird, stattdessen sollen die Grundstücke künftig ausschließlich im Rahmen des Erbbaurechts vergeben werden. Außerdem schwebte den Initiativen eine hundertprozentige Sozialbauquote vor – sie erhofften sich, dass so der Bau preisgünstiger Wohnungen in der Hansestadt angekurbelt wird.
Nachdem die Initiatoren nach der Einigung mit der Regierungskoalition Mitte November 2022 die Rücknahme der Volksinitiative erklärt hatten, stellte der Senat das Aus nun offiziell fest.
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