Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückstellungen eines Versicherungsvertreters für die Nachbetreuung von Versicherungsverträgen, für die keine Folgeprovisionen gezahlt werden
Leitsatz (amtlich)
Entsprechend der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 28.07.2004 Az. XI R 63/03) sind für die Nachbetreuung von Lebensversicherungsverträgen, für die der Versicherungsvertreter außer der Abschlussprovision keine weiteren Vergütungen erhält, Rückstellungen zu bilden.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 5; HGB § 249
Nachgehend
Tatbestand
Streitig sind Rückstellungen eines Versicherungsvertreters wegen Erfüllungsrückstands aufgrund der Verpflichtung zur Pflege von Versicherungsverträgen, für die nur Abschlussprovisionen erzielt wurden.
Der Kläger ist als selbstständiger Versicherungskaufmann für die A Versicherungs-AG tätig. Er ermittelt seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 1 EStG.
Lt. Steuererklärung betrug sein Verlust im Streitjahr 2005 126.281 €. Gewinn mindernd hatte er eine Rückstellung in Höhe von 284.609 € für die Kosten der Betreuung von Lebens- und Sachversicherungsverträgen gebildet (Berechnung Bl. 29 Prozessakte - PrA -). Dabei setzte der Kläger einen Nachbetreuungsaufwand von 2 Stunden je Wirtschaftsjahr und Vertrag an.
Der Beklagte berücksichtigte die Rückstellung nicht und legte dem Gewerbesteuermessbescheid für 2005 - wie auch dem Einkommensteuerbescheid - einen Gewinn in Höhe von 158.328 € zugrunde.
Der Kläger legte - wie auch gegen die Einkommensteuerfestsetzung - Einspruch ein und berief sich auf das Urteil des BFH vom 28.07.2004 - XI R 63/03 (BStBl II 2006, 866), wonach der Versicherungsvertreter eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstandes zu bilden habe, wenn er vom Versicherungsunternehmen die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch die weitere Betreuung des Versicherungsvertrages erhalten habe.
Der Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als der Beklagte eine Gewerbesteuerrückstellung berücksichtigte. Im Übrigen wurde der Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 22.03.2007 als unbegründet zurückgewiesen.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, die Bildung der Rückstellung sei nach der Rechtsprechung des BFH berechtigt. Der Nichtanwendungserlass des BMF negiere lediglich die Wesentlichkeit des Nachbetreuungsaufwands ohne konkrete Feststellungen hierzu.
Den Betreuungsaufwand habe die A Versicherung in einem Rundschreiben mit 2 Stunden angegeben. Diesen Wert habe der Kläger deshalb ansetzen dürfen. Er habe eine Aufstellung gefertigt, in der stichprobenartig der Aufwand pro Vertrag erfasst sei; hieraus habe sich eine Bearbeitungszeit pro Vertrag von 112 Minuten ergeben. Der Aufstellung lägen Aufzeichnungen in der Zeit vom 01.01.2007 bis 31.05.2007 zugrunde, die repräsentativ für das Streitjahr seien. Fahrtkosten seien in der Aufstellung noch nicht enthalten. Die Werte lägen künftig erwartungsgemäß eher noch höher, wenn eine Umstellung der gezillmerten Verträge vorgenommen werden müsse.
Folgende Arbeiten habe er im Rahmen der Nachbetreuung zu erledigen:
- Arbeitgeberwechsel/Versicherungsnehmerwechsel, ggf. Fahrt zum neuen Arbeitgeber
- Namensänderung
- Bezugsrechtsänderung
- Policendarlehen und Rückführung
- Kontoänderungen
- Veränderung der Zahlungsweise
- Reduzierung der Versicherungssumme/ des Beitrages
- Todesfall
- Berechnung der Ablaufsumme/ des Rückkaufwertes
- Auskünfte über veränderte Überschussbeteiligung und Erklärung warum
- Auswirkungen auf die Vermögensplanung
- Auswirkung auf die Finanzierung
- Nachversicherung
- Aufbereitung für Bürgschaften
- Rentenberechnungen
- Änderungen im Zuge der dynamischen Anpassung
- Abwicklung bei Berufsunfähigkeit, ggf. mit Fahrt zum Arzt, zur Allianz, zum Kunden
- Kündigung/Abwehr
- Trennungen
- Auswirkungen auf die Pensionszusage etc.
- Sonstiges (z.B. Fahrzeiten, Aufbereitung für Rentenberechnungen, Auswirkung geänderte staatliche Berufsunfähigkeits-, bzw. Invalidenrente, Auswirkung auf die Berufsunfähigkeit/Versorgung, verschiedene sonstige Fragen)
Er legte ein Schreiben der A Versicherung vom 05.10.2005 (Bl. 28 Prozessakte) vor, mit dem diese bestätigt, dass er mit dem Agenturvertrag vom 01.04.2001 folgende Vertragsverpflichtungen übernommen hatte:
- Vermittlung von Lebens- und Sachversicherungen
- Betreuung und Erhaltung des Bestandes von Sach-, Lebens- und Rentenversicherungsverträgen
Außerdem legte er eine Liste der Lebens- und Rentenversicherungsverträge mit Angabe des jeweiligen Zeitaufwands vor (Bl. 72 - 93 Prozessakte), sowie den Agenturvertrag und die Provisionsvereinbarungen (Bl. 109 - 118 Prozessakte).
Bei einer evtl. vom Gericht vorzunehmenden Schätzung sei zu berücksichtigen, dass pro Mitarbeiter und Vertrag ein Zeitaufwand von jährlich 30 Minuten anfalle.
In der Liste seien Fahrtkosten noch nicht enthalten. Nicht alle Sachverhalte ließen sich telefonisch klären, so dass die Mitarbeiter zu den Kunden fahren müssten. Oft gehe es um Berufsunfähigkeitsversicherungen, deren ...