Revision eingelegt (BFH IV R 9/21)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Behandlung von Earn-Out-Zahlungen bei Veräußerung eines Mitunternehmeranteils
Leitsatz (amtlich)
1. Der Veräußerungsgewinn ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der Veräußerung, d.h. der Zeitpunkt, zu dem das rechtliche oder zumindest wirtschaftliche Eigentum auf den Erwerber übergeht, unabhängig davon, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann der Veräußerungserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt.
2. Bei Vereinbarung gewinn- oder umsatzabhängiger Earn-Out-Zahlungen ist ausnahmsweise auf die Realisation des Veräußerungsentgelts abzustellen, da der Veräußerer den Gewinn erst im Zuflusszeitpunkt erzielt.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2; AO § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die zeitliche Zuordnung von auf Grundlage einer Earn-Out-Klausel geleisteten Kaufpreiszahlungen.
Persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin, einer im Jahr 1997 gegründete GmbH & Co. KG, ist die M GmbH, die am Vermögen der Klägerin nicht beteiligt ist. Alleinige Kommanditisten war die beigeladene W GmbH & Co. KG. Die Beigeladene hält zugleich 100 % der Anteile an der Komplementärin M GmbH, die dem Sonderbetriebsvermögen der Beigeladenen bei der Klägerin zugeordnet sind.
Mit notariellem Vertrag vom 05.10.2010, auf den Bezug genommen wird, veräußerte die Beigeladene ihren Kommanditanteil an der Klägerin sowie sämtliche Geschäftsanteile an der Komplementärin M GmbH an die R GmbH. Der Verkauf erfolgte mit der Maßgabe, dass der Kommanditanteil im Wege der Sonderrechtnachfolge mit schuldrechtlicher Wirkung zum Ablauf des 30.06.2010 ("Übertragungsstichtag") auf die Käuferin übergeht. Die dingliche Übertragung des Kommanditanteils war aufschiebend bedingt durch Zahlung des Kaufpreises und die Eintragung der Käuferin als Kommanditistin im Wege der Sonderrechtsnachfolge in das Handelsregister. Die Veräußerung der Anteile an der Komplementärin M GmbH erfolgte wirtschaftlich zum Übertragungsstichtag.
Als Kaufpreis für den Kommanditanteil und die Geschäftsanteile an der Komplementärin M GmbH wurde ein fester Kaufpreis in Höhe von 5.318.000 € (Ziffer 3.1 des Kaufvertrags) festgelegt, der - zwischen den Beteiligten unstreitig - in Höhe von 42.662,99 € auf die Geschäftsanteile der M GmbH entfällt. Der Kaufpreis war fällig am 15.10.2010, nicht jedoch vor Sicherstellung des Eintritts der aufschiebenden Bedingung der Eintragung der Käuferin als Kommanditistin in das Handelsregister.
Zudem wurde folgende Vereinbarung hinsichtlich eines zusätzlichen variablen Entgelts getroffen (Ziffer 3.4 des Kaufvertrags):
"Zusätzlich zum Kaufpreis nach Ziff. 3.1 erhält die Verkäuferin einen zusätzlichen Kaufpreis in Form eines variablen Entgelts. Grundlage der Ermittlung des variablen Entgelts ist die in den Geschäftsjahren 2011, 2012 und 2013 erzielte Rohmarge, wobei Rohmarge als Nettoumsatz abzüglich der Materialeinstandskosten definiert ist. Übersteigt die erzielte Rohmarge in einem der vorgenannten Geschäftsjahre den Betrag von EUR 10.000.000,00, so erhält die Verkäuferin für das betreffende Geschäftsjahr einen Betrag von EUR 533.000,00. Unterschreitet oder entspricht die Rohmarge in einem der vorgenannten Geschäftsjahre den bzw. dem Betrag von EUR 8.000.000,00, so erhält die Verkäuferin für das entsprechende Geschäftsjahr kein variables Entgelt. Im Bereich zwischen einer Rohmarge von EUR 8.000.000,00 und EUR 10.000.000,00 errechnet sich das variable Entgelt, welches die Verkäuferin erhält, linear zwischen EUR 0,00 und EUR 533.000,00. […]."
Unter Ziffer 6 enthielt der Kaufvertrag zu Steuern und Abgaben folgende Reglungen:
"6.1 Soweit sich, insbesondere auch aufgrund von Betriebsprüfungen, Verbindlichkeiten der Gesellschaft hinsichtlich Steuern, Sozialabgaben und anderer öffentlicher Abgaben (jeweils einschließlich Zinsen, Strafen, Versäumniszuschlägen und andere Nebenleistungen) für vor oder am Übertragungsstichtag beendete Veranlagungszeiträume ergeben, wird die Verkäuferin diese Beträge an die Käuferin zahlen. […]
6.2 Die Käuferin wird an die Verkäuferin alle von der Gesellschaft nach dem Stichtag erhaltenen Erstattungen (einschließlich im Wege der Verrechnung), Steuern, Sozialabgaben und anderen Abgaben zahlen, die sich auf vor oder am Stichtag beendete Veranlagungszeiträume beziehen. […]
6.3 Die Verkäuferin hält die Käuferin und die Gesellschaft von jeder etwaigen auf den Veräußerungsgewinn anfallenden Steuer frei. Dies gilt ohne Einschränkungen im Übrigen insbesondere für eine etwaige Gewerbesteuerlast.
6.4 Zahlungen nach Ziff. 6.1 und 6.2 gelten als nachträgliche Kaufpreisreduzierung oder -erhöhung."
In der Folge kam es auf Grundlage der Vereinbarung unter Ziffer 3.4 des Kaufvertrages zu folgenden variablen Kaufpreiszahlungen: