Leitsatz
Hat der Steuerpflichtige ein bestehendes Wahlrecht zur Vornahme einer Sonderabschreibung nach § 1 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 4 FördG ausgeübt, kann er in den Folgejahren steuerbilanzrechtlich unbeschadet einer handelsrechtlichen Zuschreibung nicht auf die einmal in Anspruch genommene Sonderabschreibung verzichten, sondern hat den verminderten Wertansatz fortzuführen.
Normenkette
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002, § 5 Abs. 1 S. 2, § 5 Abs. 6 EStG 1997, § 1 Abs. 1 S. 1, § 4 FördG
Sachverhalt
Eine Genossenschaft hatte in den Vorjahren für ein Gebäude Sonderabschreibungen nach § 1 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 4 FördG in Anspruch genommen. Den um die Abschreibungen verminderten Wert hatte sie hierbei sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz angesetzt.
In den Jahren 1999 und 2000 (Streitjahre) nahm die Genossenschaft für das Gebäude in ihren Handelsbilanzen Zuschreibungen vor, die sie nicht in die Steuerbilanz übernahm. Die Zuschreibungsbeträge kompensierten, jedenfalls zum Teil, die in den Vorjahren in Anspruch genommenen Sonderabschreibungen.
Das FA war der Ansicht, die Vornahme der in der Handelsbilanz wahlweise zulässigen Zuschreibungen habe zur Folge, dass auch in der Steuerbilanz der höhere Wert anzusetzen sei. Das sah das FG genauso (Sächsisches FG, Urteil vom 25.10.2007, 2 K 399/07, Haufe-Index 1834121, EFG 2008, 673).
Entscheidung
Anders demgegenüber der BFH: Für die Annahme eines steuerlichen Zuschreibungsbefehls gebe es keinen Grund. Ein solcher scheitere an der entgegengesetzten Bewertungsnorm des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG, der ein Zuschreibungsverbot enthalte.
Hinweis
1. Die Beteiligten stritten um die steuerrechtlichen Folgen von handelsrechtlichen Zuschreibungen nach der Inanspruchnahme steuerrechtlicher Sonderabschreibungen in den Vorjahren:
Diese Sonderabschreibungen hatte der Steuerpflichtige in der Steuerbilanz vorgenommen und – den Grundsätzen der sog. umgekehrten Maßgeblichkeit des § 5 Abs. 1 S. 2 EStG folgend – auch in der Handelsbilanz. Später hatte er das durch Zuschreibungen rückgängig gemacht, nunmehr aber nur in der Handels- und nicht in der Steuerbilanz. Fraglich war, ob das eine auf das andere durchschlägt.
2. Das Ergebnis mag vielleicht etwas überraschen: Der BFH hat das verneint. Er konnte sich dabei schlicht an den Regelungswortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG halten:
Danach sind Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen, im Grundsatz mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder dem an deren Stelle tretenden Wert, vermindert um die Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen, Sonderabschreibungen, Abzüge nach § 6b EStG und ähnliche Abzüge, anzusetzen. Dieser Wert bildet gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG zugleich die Bewertungsobergrenze für die Folgebewertungen. Der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG 1997 n.F. ist jedoch kein Beibehaltungs- bzw. Zuschreibungswahlrecht hinsichtlich der zuletzt genannten erhöhten Abschreibungen, Sonderabschreibungen, Abzüge nach § 6b EStG und ähnlichen Abzügen zu entnehmen.
Der BFH geht deswegen davon aus, dass sich aus der Vorschrift ein Beibehaltungsgebot bzw. Zuschreibungsverbot ergibt, das als steuerrechtliche Spezialnorm dem allgemeinen Maßgeblichkeitsgrundsatz vorgeht.
3. Zu einem steuerlichen Zuschreibungswahlrecht nach der Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen in den Vorjahren gelangt man deswegen nur dann, wenn die die jeweilige Sonderabschreibung betreffenden Regelungen selbst ein solches vorsehen. Dies war aber für die im Urteilsfall in Rede stehenden Sonderabschreibungen nach § 1 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 4 FördG nicht der Fall.
Auch die umgekehrte Maßgeblichkeit des § 5 Abs. 1 S. 2 EStG gibt nichts Gegenteiliges her, letztlich deswegen, weil ein steuerliches Wahlrecht – s.o. – eben nur für das Jahr der Inanspruchnahme der Sonderabschreibung existiert, nicht indes für die Folgejahre.
4. Der BFH grenzt klar zu derjenigen Situation ab, welche dem BFH-Urteil vom 25.10.2007, III R 39/04 (BFH/PR 2008, 96) zugrunde lag:
Aus diesem ging lediglich hervor, dass das Recht des Steuerpflichtigen zur beliebigen Verteilung der Sonderabschreibungen nach § 4 FördG innerhalb des Begünstigungszeitraums von fünf Jahren nicht durch die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen in einem späteren Kalenderjahr verbraucht werden kann, für die Vorjahre also insoweit keine Bindung besteht. Im Rahmen einer zulässigen Bilanzänderung können Sonderabschreibungen daher auch dann erstmals oder mit einem höheren Betrag in Anspruch genommen werden, wenn sie schon in den Bilanzen der Folgejahre beansprucht wurden. Aufgrund der rückwirkenden Änderung der bisherigen Bilanzansätze sind dann die nunmehr fehlerhaften Ansätze der Folgejahre zu berichtigen.
Im hiesigen Urteilsfall ging es aber nicht um eine solche Situation, sondern um die Bindung an in den Vorjahren in Anspruch genommene Sonderabschreibungen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 04.06.2008, I R 84/07