Leitsatz
Der Übertragung des BEA-Freibetrags nach § 32 Abs. 6 Satz 8 EStG auf den anderen Elternteil kann nach § 32 Abs. 6 Satz 9 Alternative 2 EStG der Elternteil, bei dem das minderjährige Kind nicht gemeldet ist, regelmäßig erfolgreich widersprechen, wenn er das Kind nach einem – üblicherweise für einen längeren Zeitraum im Voraus festgelegten – weitgehend gleichmäßigen Betreuungsrhythmus tatsächlich in der vereinbarten Abfolge mit einem zeitlichen Betreuungsanteil von jährlich durchschnittlich 10 % betreut.
Normenkette
§ 32 Abs. 6 Sätze 8, 9 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist Mutter von zwei Söhnen, die in ihrem Haushalt leben und gemeldet sind, und seit 2011 vom Kindsvater geschieden. Entsprechend der zwischen ihnen vereinbarten Regelung betreute der Kindsvater die Söhne an jedem zweiten Wochenende von Freitagnachmittag bis Sonntagabend und während der Hälfte der Ferienzeiten. Zudem trug er die Kosten der regelmäßigen Unterbringung an den Wochenenden sowie der gemeinsamen Urlaube.
Mit ihrer Einkommensteuererklärung für 2013 beantragte die Klägerin für beide Söhne jeweils den doppelten BEA-Freibetrag, den das FA i.H.v. 2.640 EUR je Kind gewährte.
Aufgrund eines Datenabgleichs erfuhr das FA, dass der Kindsvater im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung der Nichtgewährung des auf ihn entfallenden BEA-Freibetrags widersprochen und das Wohnsitzfinanzamt seinem Einspruch abgeholfen hatte. Das FA änderte den Einkommensteuerbescheid der Klägerin gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und zog für die Kinder jeweils nur noch den einfachen BEA-Freibetrag i.H.v. 1.320 EUR je Kind vom Einkommen ab.
Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4.12.2015, 4 K 1624/15, Haufe-Index 8905764, EFG 2016, 308).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf (BEA-Freibetrag) auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen. Die Übertragung scheidet aus, wenn ihr widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut (§ 32 Abs. 6 Satz 8 und Satz 9 EStG).
2. Der Widerspruch setzt danach eine
Eine regelmäßige Betreuung liegt insbesondere (!) dann vor, wenn sich – wie im Urteilsfall – ein minderjähriges Kind entsprechend eines – üblicherweise für einen längeren Zeitraum im Voraus festgelegten – weitgehend gleichmäßigen Betreuungsrhythmus tatsächlich in der vereinbarten Abfolge bei dem Elternteil, bei dem es nicht gemeldet ist, aufhält.
In nicht unwesentlichen Umfang betreut, wer jährlich durchschnittlich 10 % für das Kind sorgt. Vorzunehmen ist eine "Gesamtschau der Vielzahl nach Lage des Falles naturgemäß auch unterschiedlich zu gewichtenden Faktoren".
Längere Ferienaufenthalte reichen aus
Der BFH setzt die Schwelle für den Widerspruch niedrig an, weil der Gesetzgeber in § 1606 Abs. 3 BGB von der Gleichwertigkeit der Unterhaltsleistung durch Geld und durch persönliche Betreuung ausgeht. Das Urteil sollte daher nicht so verstanden werden, dass eine regelmäßige Betreuung bei häufiger, aber nicht langfristig im Voraus geplanter Obhut ausgeschlossen ist. Insbesondere bei größerer Distanz zwischen den Wohnorten der Eltern sollten z.B. auch bloße Ferienaufenthalte von mindestens 37 Tagen im Jahr ausreichen.
3.§ 32 Abs. 6 Satz 9 EStG legt keine besondere Form für den Widerspruch fest, sodass jedenfalls ein zulässiger Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid ausreicht.
Der widersprechende Elternteil ist zum Verfahren nicht notwendig beizuladen (vgl. § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO).
4. Vor dem Antrag auf Übertragung des BEA-Freibetrages oder einem dagegen gerichteten Widerspruch sollte zunächst geprüft werden, ob sich eine Übertragung überhaupt steuerlich auswirkt (Günstigerprüfung, § 31 EStG).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 8.11.2017 – III R 2/16