Führung muss immer als situative Aufgabe verstanden werden. Daher muss es der Führungskraft gelingen, den in der jeweiligen Situation am besten angemessenen Führungsstil zu nutzen. Die Führungskraft muss über die komplette Bandbreite der Führungsstile verfügen und sich nicht auf einzelne wenige reduzieren. Weder gibt es Patentrezepte, noch ist eine Zuordnung von richtig und falsch hilfreich. Es geht nur darum, ob mit dem gewählten Stil das gewünschte Ergebnis erreicht werden kann.
Nun hängt es erneut von der Persönlichkeit der Führungskraft und den Geführten ab, mit welchem Stil man das beste Ergebnis erreichen kann. Suchen wir also nicht nach mustergültigen Lösungen, sondern verdeutlichen wir uns, dass jeder Mensch und somit auch jede Führungskraft eine einzigartige Persönlichkeit hat. Sie hat unterschiedliche Ausprägungen, Wahrnehmungen, Verhalten und Wertesysteme, um nur einige Faktoren zu nennen. Daraus ergeben sich selbstverständlich auch unterschiedliche Führungsstile.
Die Bandbreite der Führungsstile ist sehr groß. Auf der einen Seite haben wir den autoritären und auf der anderen Seite den kooperativen bis hin zum autonomen Führungsstil. Der autoritäre Führungsstil ist durch die Zentrierung auf die Führungskraft charakterisiert. Sie setzt die Ziele, trifft Entscheidungen und verteilt die Aufgaben. Das Erteilen von Weisung und eine regelmäßige Kontrolle prägen das Bild. Die Führungskraft setzt sich durch und übt notfalls Zwang/Druck aus.
Beim kooperativen Führungsstil findet mehr Kommunikation und damit mehr Austausch von Wissen und Meinungen statt. Entscheidungen werden nach Abstimmungsprozessen im Team getroffen und die Freiheitsgrade für die Teammitglieder werden zunehmend erweitert. Dies geht bis hin zum autonomen Stil, wo wir die vorwiegende Anwendung von Sog erkennen. In die Entscheidungsfindung fließt nicht nur das Wissen und die Erfahrung der Führungskraft, sondern aller Teammitglieder ein. Damit ist das Risiko minimiert bzw. die Qualität der Entscheidung verbessert. Insbesondere ist aber die deutlich höhere Akzeptanz im Team zu nennen. Die Führungskraft wird so zum Koordinator, die dem Team hilft, die Freiräume zu nutzen. Exakt so muss die Führungsrolle wahrgenommen werden, wenn wir von Führung ohne Weisungsbefugnis reden.
Zwischen diesen beiden Stilen gibt es eine Vielzahl weiterer Führungsstile, die jeweils mehr oder wenig stark die eine oder andere Seite verkörpern. Selbstverständlich wünscht sich jeder einen Führungsstil, bei dem er maximal beteiligt wird und die Freiheitsgrade hoch sind. Dennoch gibt es Situationen im unternehmerischen Alltag, wo die autoritäre Führung die bessere Form ist, z. B. in kritischen Situationen, in denen die Zeit drängt und die Entscheidungsfindung in der Gruppe schwierig wäre. Dann brauchen wir eine starke Führungskraft, die eine Entscheidung trifft. Diese Person muss eine hohe Anerkennung und Akzeptanz haben. Die Mitarbeiter müssen ihr vertrauen. Nun erkennen wir: je nach Situation (Umfeld, Mitarbeiter, Unternehmenskultur, Aufgaben, Kompetenzverteilung, Struktur, usw.) ist der geeignete Führungsstil anzuwenden. Wir sprechen von der situativen Führung.
Abb. 2: Das Spektrum der Führungsstile
Um das Bild zu komplettieren, müssen wir einen weiteren Führungsstil betrachten, der in den letzten Jahren stark in der Diskussion war. Es ist das Coaching. Also: das Handeln der Führungskraft als Coach. Die Gestaltungsspielräume für die Mitarbeiter sollen erhöht werden, um so schnellere und bestmögliche Lösungen zu erhalten. Keinesfalls handelt es sich dabei um einen Laissez-faire-Führungsstil, bei dem man die Mitarbeiter einfach machen lässt. Das Handeln ist klar zielorientiert, allerdings geht die Auswahl der Ziele sowie die Gestaltung der Aufgaben zur Zielerreichung in die Hand des Mitarbeiters bzw. des Teams über. Die Führungskraft nimmt sich noch weiter zurück. Die Rolle besteht im Beobachten, Fragenstellen und bei Bedarf Unterstützen. Das stellt besondere Ansprüche an die Führungskraft, denn sie muss loslassen.
Gleichfalls stellen diese Stile aber auch deutliche Anforderungen an die Mitarbeiter. Hohe Fachkompetenz ist ein absolutes Muss. Gleichfalls benötigt der Mitarbeiter gute Selbststeuerungskräfte. Persönliches Zeitmanagement und eine hohe intrinsische Motivation sind besonders wichtig. Das Vorgehen, Mitarbeitern diese großen Gestaltungsspielräume einzuräumen, bezeichnet man als Empowerment. Allerdings müssen Mitarbeiter den nötigen Reifegrad haben, um mit diesen Formen der Führung und Zusammenarbeit umgehen zu können.
Wenn die Rahmenbedingungen es erlauben, ist Coaching die ideale Form der Führung ohne Weisungsbefugnis.
In einer sehr agilen Arbeitswelt wird den Führungsstilen mit viel Verantwortung in der Hand der Mitarbeiter eine größere Bedeutung zukommen. Die Führungskraft wird mehr zum Koordinator und verlässt die zentrale Rolle des "Machers". Für Führungskräfte bedeutet das, die Selbststeuerungskräfte der Mitarbeiter und des Teams zu stärken und dann zunehmend l...