Leitsatz
* Eine Gegenvorstellung zur Aufhebung oder Änderung einer formell rechtskräftigen Entscheidung erkennt der BFH nur in Ausnahmefällen an.
* Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 115 FGO , Art. 103 GG
Sachverhalt
Der BFH hatte die gegen das Urteil des FG erhobene Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision mit der Begründung als unzulässig verworfen, es seien keine Zulassungsgründe vorgetragen worden.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Gegenvorstellung zum BFH und machte die Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend.
Entscheidung
Der BFH wies die Gegenvorstellung zurück. Soweit die Beeinträchtigung rechtlichen Gehörs gerügt werde, sei die Gegenvorstellung nur zulässig, wenn die Entscheidung offensichtlich auf der Gehörsverletzung beruhe. Dazu habe der Antragsteller aber zu wenig vorgetragen. Denn er berufe sich lediglich auf die Fehlerhaftigkeit des FG-Urteils; er habe indes keinen, als grobes prozessuales Unrecht zu wertenden Verfahrensfehler geltend gemacht.
Hinweis
Die Entscheidung lenkt den Blick auf das weithin unbekannte "Rechtsinstitut" der Gegenvorstellung. Darunter versteht man – ganz allgemein – eine Eingabe, mit der sich der Betroffene an eine staatliche Stelle wendet, um diese – also nicht die übergeordnete Behörde – zur Aufhebung oder Änderung einer von ihr erlassenen Maßnahme zu veranlassen.
Im prozessualen Bereich handelt es sich nicht um ein Rechtsmittel, sondern um einen in den Prozessordnungen nicht geregelten formlosen Rechtsbehelf, mit dem eine Änderung oder Aufhebung einer gerichtlichen Entscheidung durch das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, also ohne Anrufung der höheren Instanz, erreicht werden soll.
Die Gegenvorstellung kann sich gegen eine Entscheidung des FG oder des BFH wenden. Sie ist jeweils an das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, zu richten (judex a quo), also bei Einwendungen gegen eine FG-Entscheidung an das FG, nicht an den BFH.
Um die prozessualen Rechtsbehelfe nicht zu unterlaufen, kann die Gegenvorstellung auch im Finanzprozess nur ausnahmsweise anerkannt werden. Der BFH sieht die Gegenvorstellung nur in Fällen als statthaft an, in denen die Entscheidung
- auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht,
- unter Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters ergangen ist oder
- jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist.
Diese besonderen Voraussetzungen müssen substanziiert dargelegt werden. Die Tatsachen des Verfahrensverstoßes bzw. die schwerwiegenden materiell-rechtlichen Fehler müssen genau bezeichnet sein. Eine etwa erhobene bloße Rüge, die Entscheidung sei fehlerhaft, genügt nicht.
Auch bei der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs genügt eine "schlichte" Gehörsverletzung nicht. Hinzu kommen muss, dass der Verfahrensverstoß so schwerwiegend (grob) ist, dass er schlechthin nicht akzeptiert werden kann.
Für eine gegen eine Entscheidung des BFH gerichtete Gegenvorstellung ist der Vertretungszwang zu beachten. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 26.2.2002, IX S 2/01