Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Der Abzug betrieblich veranlasster Schuldzinsen ist nach § 4 Abs. 4a EStG eingeschränkt, wenn Überentnahmen vorliegen. Dies ist der Fall, wenn die Entnahmen höher sind als die Summe aus Gewinn und Einlagen des Wirtschaftsjahrs.
Sachverhalt
Der Kläger betreibt eine Arztpraxis. Im Jahr 2001 errichtete er ein Einfamilienhaus zur Selbstnutzung. Die Herstellungskosten "finanzierte" er überwiegend durch Privatentnahmen. In den Jahren 2001 bis 2004 nahm er jeweils kurz vor Jahresende beträchtliche Einzahlungen von seinem privaten Girokonto auf das betriebliche Girokonto vor. Wenige Tage später nach Eintritt des Jahreswechsels transferierte er diese wieder auf sein privates Girokonto zurück. Das Finanzamt war der Meinung, dass diese Transaktionen nur den Zweck gehabt hätten, die durch Entnahmen entstandenen Überentnahmen zu vermindern und dadurch die Kürzung der Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG zu verhindern. Es berücksichtigte deshalb diese Einzahlungen bei der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nicht.
Entscheidung
Das FG hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Es hat einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO darin gesehen, dass die Mittelzuführungen nur der Steuervermeidung gedient haben.
Einem Steuerpflichtigen steht es zwar regelmäßig frei, jederzeit Einlagen oder Entnahmen zu tätigen. Vorliegend sind jedoch keine vernünftigen wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen außensteuerliche Gründe dafür ersichtlich, dem betrieblichen Girokonto durch die Überziehung des privaten Girokontos jeweils für die Dauer von nur wenigen Tagen Geldmittel zuzuführen. Zudem lag der Zinssatz für die Überziehung des privaten Girokontos deutlich über den Zinssätzen für betriebliche Darlehen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Mittelzuführungen jeweils den Betrag überschritten, mit dem das betriebliche Girokonto jeweils im Soll geführt wurde. Die Gestaltung rechnete sich somit allein vor dem Hintergrund der beabsichtigten Steuerminderung.
Hinweis
Der Anwendung des § 42 AO steht nicht entgegen, dass die spezielle Missbrauchsverhinderungsregelung in § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG a. F. letztmals für den Veranlagungszeitraum 2000 Anwendung fand. Diese bestimmte, dass Entnahmen und Einlagen, die in den letzten 3 Monaten eines Wirtschaftsjahrs getätigt werden, nicht zu berücksichtigen waren, soweit sie in den nächsten 3 Monaten des Folgejahrs wieder rückgängig gemacht werden. Die Streichung der Vorschrift erfolgte primär aus Praktikabilitätsgründen. Der Gesetzgeber wollte damit aber solche Gestaltungen nicht billigen. Er hat vielmehr die allgemeinen Regeln zur Missbrauchsbekämpfung für ausreichend erachtet.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.03.2009, 2 K 160/06