Leitsatz
§ 31 Satz 4 EStG 2004 stellt in Abkehr von der bis zum Jahr 2003 geltenden Fassung für die Hinzurechnung des Kindergeldes auf die tarifliche Einkommensteuer im Rahmen der Günstigerprüfung nicht mehr auf die Festsetzung und tatsächliche Zahlung des Kindergeldes, sondern auf den Anspruch auf Gewährung von Kindergeld ab.
Sachverhalt
Der Einkommensteuerbescheid der Kläger für das Jahr 2004 weist eine Hinzurechnung von Kindergeld für zwei Kinder aus. Gegen den Bescheid legten die Eltern am 7.4.2008 Einspruch ein, ohne diesen zu begründen. Das Finanzamt wies den Einspruch mit der Einspruchsentscheidung vom 2.6.2008 als unbegründet zurück. Im Klageverfahren tragen die Eltern vor, die Hinzurechnungen von Kindergeld für die Kinder seien zu Unrecht vorgenommen worden. Für beide Kinder sei weder ein Kindergeldantrag gestellt noch Kindergeld bezogen worden. Zudem seien die Kindergeldansprüche mittlerweile verjährt. Soweit es nach der für das Streitjahr 2004 geltenden Gesetzesfassung für die Anrechnung genüge, dass ein Anspruch auf Kindergeld bestehe, sei zu berücksichtigten, dass ein Anspruch nur bestehe, wenn er nicht z. B. durch Verjährung oder Verzicht erloschen sei. Ein nicht mehr bestehender Anspruch könne nicht Grundlage für eine Anrechnung sein. Nach der Gesetzeslage komme es nicht darauf an, ob irgendwann einmal ein Anspruch bestanden habe, sondern ob der Anspruch noch bestehe.
Entscheidung
Die Hinzurechnung des Kindergelds ist - entgegen der Rechtsauffassung der Kläger - nicht durch die im Laufe des Klageverfahrens eingetretene Festsetzungsverjährung des Kindergeldanspruchs für das Jahr 2004 ausgeschlossen. Die Festsetzungsverjährung ist für das gesetzliche Tatbestandsmerkmal des Anspruchs auf Kindergeld im Rahmen des § 31 Satz 4 EStG ohne Bedeutung. Denn das FG legt den Begriff des Anspruchs auf Kindergeld in der ab 2004 geltenden Gesetzesfassung dahin aus, dass für die Hinzurechnung nach § 31 Satz 4 EStG allein der im Veranlagungszeitraum zeitgleich abstrakt bestehende Kindergeldanspruch maßgeblich ist. Diese Auslegung folgt aus dem Zweck der gesetzlichen Neuregelung. Die Günstigerprüfung beim Familienleistungsausgleich soll zur Verwaltungsvereinfachung auf Basis des Anspruchs auf Kindergeld vorgenommen werden. Könnten nach Ablauf des Veranlagungszeitraums die Tatschen, die den Kindergeldanspruch ausschließen (Festsetzungsverjährung bzw. vorausgehend eine Nichtbeantragung des Kindergelds verbunden mit der Erklärung, den Kindergeldanspruch nicht realisieren zu wollen) die Hinzurechnung ausschließen, würde dieser gesetzgeberische Zweck unterlaufen.
Hinweis
Die wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zugelassene Revision wurde inzwischen eingelegt und wird bei dem BFH unter dem Az. III R 13/10 geführt.
Man darf gespannt sein, wie der BFH in dieser Sache entscheidet, zumal die Verwaltung im BMF-Schreiben v. 18.11.2005 (BStBl 2005 I S. 1027) geregelt hat, dass in den Fällen, in denen aufgrund eines bestandskräftigen Kindergeldablehnungsbescheids kein Anspruch auf Kindergeld besteht, bei der Prüfung nach § 31 Satz 4 EStG kein Kindergeld gegenzurechnen ist, mit der Folge, dass sich die steuerlichen Freibeträge für Kinder voll auswirken.
Bis zum Ergehen der BFH-Entscheidung sollten sich betroffene Steuerpflichtige auf dieses BMF-Schreiben berufen und argumentieren, dass der Anspruch auf Kindergeld nicht mehr zu realisieren ist. Ob die Gründe hierfür in der bereits eingetretenen Festsetzungsverjährung oder in einem bestandskräftigen Kindergeldablehnungsbescheid liegen, kann nach Auffassung des Verfassers nicht entscheidend sein.
Link zur Entscheidung
FG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2010, 14 K 2364/08 E