Bei der Haftung des Eigentümers von Gegenständen nach § 74 AO[1] handelt es sich um eine echte Ausfallhaftung.[2] Überlässt der Eigentümer Gegenstände einem Unternehmen, an dem er wesentlich beteiligt ist, dauerhaft zur Nutzung (Fälle der Betriebsaufspaltung)[3], haftet er mit diesen Gegenständen für die betrieblich begründeten Steuern des Unternehmens.[4]

Eine wesentliche Beteiligung liegt auch dann vor, wenn der betroffene Eigentümer nur mittelbar, z. B. über eine Tochtergesellschaft oder einen Treuhänder, beteiligt ist. Eine wesentliche Beteiligung i. S. d. § 74 Abs. 2 S. 1 AO wird aber nicht durch Zusammenrechnung der von mehreren Familienmitgliedern gehaltenen Anteile begründet.[5]

 
Hinweis

Haftung des Eigentümers erfasst auch grundstücksgleiche Rechte

Die Haftung des an einem Unternehmen wesentlich beteiligten Eigentümers von Gegenständen, die er diesem Unternehmen überlässt, erstreckt sich auch auf ein überlassenes Erbbaurecht, das dem Unternehmen als Betriebsgrundlage dient. Die Haftung nach § 74 AO wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der dem Unternehmen überlassene Gegenstand nicht im Eigentum des Haftenden, sondern im Eigentum einer KG steht, wenn Gesellschafter der KG ausschließlich der Haftende und eine andere am Unternehmen wesentlich beteiligte Person sind.[6]

Der BFH muss sich erneut mit der grundsätzlichen Bedeutung des Tatbestandsmerkmals "dienen" gem. § 74 Abs. 1 Satz 1 AO befassen. Im Streitfalls geht es um die Frage, ob ein Grundstück einem Unternehmen dient, wenn dieses lediglich als Zwischenmieterin auftritt, sodass der Eigentümer des Grundstücks nach § 74 Abs. 1 Satz 1 AO für die Steuerschulden der Zwischenmieterin in Haftung genommen werden kann.[7]

"Gegenstände" sind körperliche[8], laut Finanzverwaltung nun auch immaterielle Wirtschaftsgüter, z. B. Rechte, soweit in diese vollstreckt werden kann. Sie müssen keine wesentliche Betriebsgrundlage darstellen, aber rechtlich selbstständig (für die Zwangsvollstreckung zugängig) sein. Das wirtschaftliche Eigentum reicht aus.[9].[10]

Zu den Betriebssteuern gehören insbesondere die Umsatz- und Gewerbesteuer, nicht jedoch z. B. die Körperschaft-, Grunderwerb-, Kraftfahrzeug-, Lohnsteuer und Zölle. Die Haftung umfasst auch Ansprüche der Finanzverwaltung auf Erstattung von Steuervergütungen.[11]

Zeitmäßig beschränkt sich die Haftung auf die Betriebssteuern, die während des Bestehens der wesentlichen Beteiligung entstanden sind.[12]

Eine wesentliche Beteiligung an einem Unternehmen liegt vor, wenn eine Person

  • unmittelbar oder mittelbar zu mehr als ¼ am Grund- oder Stammkapital oder am Vermögen des Unternehmens beteiligt ist[13] oder
  • auf das Unternehmen einen beherrschenden Einfluss ausübt und durch sein Verhalten dazu beiträgt, dass fällige Betriebssteuern nicht entrichtet werden.[14]
[1] BFH, Urteil v. 22.11.2011, VII R 63/10, BStBl 2012 II S. 223; Gegenstand der Haftung können auch immaterielle Wirtschaftsgüter sein, wenn in dieses Vermögen vollstreckt werden kann: BFH, Urteil v. 23.5.2012, VII R 28/10 zur Haftung, wenn der Gegenstand nicht im Eigentum des Haftenden, sondern im Eigentum einer Gesellschaft steht, an der der Haftende beteiligt ist, s. BFH, Urteil v. 10.11.1983, V R 18/79, (GbR); BFH, Urteil v. 23.5.2012, VII R 28/10 (KG) .
[6] BFH, Urteil v. 23.5.2012, VII R 29/10, BFH/NV 2012 S. 1924, Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG, Beschluss v. 17.9.2013, 1 BvR 1929/12.
[7] Niedersächsisches FG, Urteil v. 14.7.2021, 11 K 14151/15, Revision eingelegt, Az. beim BFH VII R 25/21.
[10] LFD Thüringen, Verfügung v. 31.1.2012, S 2170 A-28-A 3.15 (R); BVerwG, Beschluss v. 28.9.2011, 9 B 21.11; BFH, Beschluss v. 29.3.2012, II B 65/11, wirtschaftliches Eigentum des Inhabers eines dinglichen Wohnrechts.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Finance Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge