Leitsatz
1. Die Haftung des an einem Unternehmen wesentlich beteiligten Eigentümers von Gegenständen, die er diesem Unternehmen überlässt, erstreckt sich auch auf ein überlassenes Erbbaurecht, das dem Unternehmen als Betriebsgrundlage dient.
2. Die Haftung nach § 74 AO wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der dem Unternehmen überlassene Gegenstand nicht im Eigentum des Haftenden, sondern im Eigentum einer KG steht, wenn Gesellschafter der KG ausschließlich der Haftende und eine andere am Unternehmen wesentlich beteiligte Person sind.
Normenkette
§ 74 AO, § 864 Abs. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 ErbbauRG, § 21 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 InsO
Sachverhalt
Der als Haftungsschuldner in Anspruch genommene Kläger war mit einem Geschäftsanteil von 50 % Kommanditist einer KG. Geschäftsführender Komplementär war eine GmbH, die u.a. vom Kläger vertreten wurde. Die KG betrieb auf einem im Eigentum einer anderen Gesellschaft stehenden Grundstück ein Unternehmen. Das Grundstück war mit einem Erbbaurecht mit Veräußerungsbeschränkung durch Zustimmung des Grundstückseigentümers zugunsten der A‐KG belastet. Komplementär derselben war die A‐GmbH, an der der Kläger und ein Dritter zu je 50 % beteiligt waren. Zudem waren jener und der Kläger Kommanditisten zu je 50 % bei der A‐KG, deren Gesamthandsvermögen nur aus dem Erbbaurecht bestand. Sie überließ das Grundstück pachtweise der KG.
Als die KG zahlungsunfähig und das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, erließ das FA wegen rückständiger Umsatzsteuer der KG zwei auf § 74 AO gestützte Haftungsbescheide, in denen die Haftung gegenständlich auf das Erbbaurecht am Grundstück beschränkt wurde.
Entscheidung
Die Klage gegen den Haftungsbescheid ist wie in der Vorinstanz (FG Nürnberg, Urteil vom 24.11.2009, 2 K 702/2007, Haufe-Index 3231738) auch vor dem BFH erfolglos geblieben.
Hinweis
Der Eigentümer von Gegenständen, die einem Unternehmen dienen, haftet bekanntlich mit den überlassenen Gegenständen für diejenigen Steuern des Unternehmens, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Unternehmens gründet. Voraussetzung für die Haftung ist eine wesentliche Beteiligung an dem Unternehmen (unmittelbare oder mittelbare Beteiligung zu mehr als einem Viertel am Grund‐ oder Stammkapital oder am Vermögen des Unternehmens) (§ 74 Abs. 1 Satz 1 AO).
Ist auch ein Erbbaurecht ein "Gegenstand", sodass mit ihm gehaftet wird? Ein Teil des Schrifttums hat das in begrifflicher Argumentation bezweifelt, der BFH hat sich jetzt jedoch der auch vom Berichterstatter im "Klein" vertretenen Auffassung angeschlossen, Haftungsgegenstand könnten alle Wirtschaftsgüter materieller und immaterieller Art sein, jedenfalls wenn in sie vollstreckt werden kann. Das ist bei einem Erbbaurecht der Fall (vgl. § 864 Abs. 1 ZPO, ErbbBauRG).
Kann Haftung aber auch dann Platz greifen, wenn der in Anspruch Genommene gar nicht Eigentümer des Gegenstands ist, sondern dieser einer Gesamthand gehört? Auch das bejaht die Entscheidung, nachdem der BFH schon vor langem entschieden hat: Für die Haftung ist es ohne Bedeutung, wenn Träger des Gesamthandsvermögens nur die am Unternehmen wesentlich beteiligten Personen sind, weil diesen Personen als Personengruppe die Gegenstände gehören (BFH, Urteil vom 10.11.1983, V R 18/79, BFHE 139, 242, BStBl II 1984, 127).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.5.2012 – VII R 28/10