Leitsatz
Die Festvergütung, die der geschäftsführungs- und vertretungsberechtigte Komplementär einer KG von dieser für seine Haftung nach § 161, § 128 HGB erhält, ist als Entgelt für eine einheitliche Leistung, die Geschäftsführung, Vertretung und Haftung umfasst, umsatzsteuerpflichtig.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG 1999, Art. 2 Nr. 1, Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der 6. EG-RL, § 125, § 128, § 161, § 170 HGB
Sachverhalt
Die Klägerin war Komplementärin mehrerer KGs (Alleinvertreterin und Alleingeschäftsführerin ohne Kapitaleinlage). Sie erhielt nach dem Gesellschaftsvertrag "für ihre unbeschränkte persönliche Haftung sowie für ihre Geschäftsführertätigkeit" jeweils eine Festvergütung, die sie – anders als das FA – als umsatzsteuerfrei beurteilte.
Das FG bestätigte die Klägerin (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.05.2010, 7 K 7183/06 B, Haufe-Index 2353047, EFG 2010, 1534).
Entscheidung
Die Revision des FA hatte Erfolg. Keines der einzelnen Elemente der von der Klägerin gegenüber den KGs erbrachten einheitlichen Leistung hat den Charakter eines Finanzgeschäfts. Dies gilt nicht nur für die Geschäftsführung und die Vertretung, sondern auch für die Haftung nach § 161, § 128 HGB.
Hinweis
1. Entgeltliche Leistungen können auch im Gesellschaftsvertrag vereinbart sein.
2. Eine einheitliche Leistung liegt auch vor, wenn zwei oder mehr Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung – aus der maßgeblichen Sicht eines Durchschnittsverbrauchers – wirklichkeitsfremd wäre.
3. Erhält der Komplementär aufgrund der Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag für die Geschäftsführung, Vertretung und Haftung für seine KG eine Vergütung, liegt eine einheitliche entgeltliche Leistung vor. Denn der persönlich haftende Gesellschafter, der zur Geschäftsführung und Vertretung der KG berechtigt ist, muss für die Verbindlichkeiten der KG zwingend haften (vgl. § 114, § 125, § 128, § 161 Abs. 2 HGB). Schon wegen dieser rechtlichen Abhängigkeit liegt nach der – allein maßgeblichen – objektiven Ausgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses ein einziger untrennbarer wirtschaftlicher Vorgang vor, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Weil bei Übernahme der Geschäftsführung die Haftung nicht abbedungen werden kann, ist sie insoweit rechtlich zwingend mit der Geschäftsführung und Vertretung verbunden. Die rechtliche Möglichkeit, dass ein Komplementär nach § 114 Abs. 2 HGB und § 125 Abs. 1 HGB i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB unter bestimmten Voraussetzungen von Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen werden könnte, ist insoweit ohne Bedeutung.
4. Persönliche Haftung des Komplementärs – ebenso der Gesellschafter einer OHG und einer GbR – bedeutet nach der Zivilrechtsprechung grundsätzlich das Einstehen für die Erfüllungspflicht der Gesellschaft – z.B. Lieferung oder Mängelbeseitigung (sog. Erfüllungstheorie). Zwar kann im Einzelfall eine persönliche Inanspruchnahme an einem schutzwürdigen Interesse des Gesellschafters auf Freihaltung seiner Privatsphäre scheitern. Das ändert nichts daran, dass die Haftung des Gesellschafters grundsätzlich keine Geldleistungsverpflichtung ist.
5.§ 4 Nr. 8 Buchst. g UStG befreit "die Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze". Zur Grundlage (Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der 6. EG-RL) hat der EuGH entschieden, dass diese Regelung keine Sachleistungsverpflichtungen betrifft. Das ist bei der Auslegung des nationalen Rechts zu beachten.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 03.03.2011 – V R 24/10