Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des technischen Geschäftsführers bei Geldspielautomatenumsätzen
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Nichtvorliegen einer schriftlichen Aufgabenverteilung zwischen mehreren Geschäftsführern obliegt die Verantwortlichkeit für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten allen Geschäftsführern ohne Rücksicht darauf ob sie die Geschäftsführung tatsächlich ausüben können.
2. Ein technischer Geschäftsführer, dem konkrete Überprüfungen hinsichtlich der Erfüllung steuerlicher Verpflichtungen der Gesellschaft, nicht ermöglicht werden, muss zur Vermeidung von Haftungsrisiken sein Amt unverzüglich niederlegen.
3. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Umsatzsteuerbescheide wegen der kumulativen Erhebung von Mehrwertsteuer und Vergnügungssteuer bei Geldspielautomatenumsätzen liegen nicht bereits deshalb vor, weil ein anderes Finanzgericht ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gestellt hat und der Generalanwalt des EuGH eine abweichende Meinung vertritt; wenn andererseits die Steuerpflicht von Umsätzen eines Betreibers von Geldspielautomaten nach § 4 Nr. 9b UStG und ein fehlender Verstoß gegen europäisches Recht sowie das Grundgesetz nach der Rechtsprechung geklärt ist.
Normenkette
AO §§ 191, 69, 34; UStG § 4 Nr. 9b
Streitjahr(e)
2010, 2011, 2012
Tatbestand
Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Haftungsbescheides, durch den ihn der Antragsgegner (im Folgenden: das Finanzamt
-FA-) für Steuerrückstände der Fa. X GmbH (im Folgenden: GmbH) in Anspruch genommen hat.
Die GmbH erzielte Umsätze aus… und dem Betrieb von Spielautomaten.
Der Antragsteller war seit dem Jahr 19… bis zum 17.04.2012 neben Herrn R Geschäftsführer der GmbH. Nach der nicht schriftlich niedergelegten Aufgabenverteilung war der Antragsteller für den technischen Bereich und Herr R für den kaufmännischen Bereich der Geschäftsführung zuständig.
Nachdem die GmbH für das Kalenderjahr 2010 keine Umsatzsteuererklärung abgegeben hatte, schätzte das FA die Besteuerungsgrundlagen und setzte einen Verspätungszuschlag und Zinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO) fest. Die am 15.11.2012 fälligen Nachzahlungsbeträge wurden von der GmbH nicht entrichtet. Außerdem änderte das FA aufgrund einer Außenprüfung die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 2004 und 2005 und setzte auch für diese Jahre Zinsen fest. Die am 04.10.2012 fälligen Nachzahlungsbeträge wurden von der GmbH ebenfalls nicht entrichtet.
Weiterhin wurden von der GmbH für die Voranmeldungszeiträume April 2011 bis Januar 2012 festgesetzte und zwischen dem 19.05.2011 und dem 29.02.2012 fällige Nachzahlungsbeträge und weitere steuerliche Nebenabgaben mit der Begründung nicht entrichtet, die Besteuerung von mit Geldspielautomaten erzielten Umsätzen sei europarechtswidrig. Schließlich erklärte die GmbH in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für Januar bis März 2012 die von ihr erbrachten Umsätze als steuerfreie Umsätze. Das FA setzte die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für diese Voranmeldungszeiträume unter Berücksichtigung der Steuerpflicht der angemeldeten Umsätze anderweitig fest. Die sich daraus ergebenden Nachzahlungsbeträge waren am 30.07.2012 fällig.
Nachdem gegenüber der GmbH ergriffene Beitreibungsmaßnahmen erfolglos geblieben waren, erließ das FA den streitgegenständlichen Haftungsbescheid, mit dem es den Antragsteller für Abgabenrückstände der GmbH in Höhe von insgesamt … EUR in Anspruch nahm.
Zur Begründung führte das FA aus, der Antragsteller sei neben dem weiteren Geschäftsführer R für die Abgabenrückstände der GmbH als Haftungsschuldner gemäß § 191 i.V.m. §§ 34, 69 der Abgabenordnung (AO) in Anspruch zu nehmen. Er habe es pflichtwidrig unterlassen, für das Kalenderjahr 2010 eine Umsatzsteuererklärung beim FA einzureichen und für verschiedene Voranmeldungszeiträume die steuerpflichtigen Umsätze in zutreffender Höhe zu erklären. Im Übrigen habe er es pflichtwidrig unterlassen, dafür Sorge zu tragen, dass die festgesetzten Steuern aus Mitteln der GmbH entrichtet worden seien. Dieser Verpflichtung stehe der Umstand, dass die Steuerfestsetzungen von der GmbH mit dem Rechtsmittel des Einspruchs angefochten worden seien, nicht entgegen, da entsprechende Anträge auf Gewährung von Aussetzung der Vollziehung abgelehnt worden seien. Entgegen seinem Vorbringen sei es dem Antragsteller auch möglich und zumutbar gewesen, diesen Pflichten nachzukommen.
Wegen des weiteren Inhalts des Haftungsbescheides wird auf Bl. 48 ff. des vom FA vorgelegten Haftungsbands verwiesen.
Der Antragsteller hat mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 28.01.2013 gegen den Haftungsbescheid Einspruch eingelegt, über den das FA noch nicht entschieden hat.
Nachdem das hierfür zuständige Finanzamt … mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung Nr. … vom 13.02.2013 zur Vollstreckung der Haftungssumme die Konten des Antragstellers bei der B Bank gepfändet und deren Einziehung angeordnet hatte, hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf gerichtliche Aufhebung der Vollziehung...