Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungslast für die günstigere Steuerklasse bei Vor- und Nacherbfolge
Leitsatz (redaktionell)
- Wer den Nachlass des Erstverstorbenen als dessen Nacherbe (§ 2139 BGB) und den des Letztverstorbenen als dessen Vollerbe erhält, trägt die objektive Beweislast (Feststellungslast) dafür, dass und in welchem Umfang Nacherbschaftsvermögen auf ihn übergegangen ist, wenn er beantragt, das für die Besteuerung (günstigere) Verhältnis zum Erblasser zugrunde zu legen.
- Abweichend von der zivilrechtlichen Wertung, nach der der Nacherbe ohne Durchgangserwerb des Vorerben Erbe des Erblassers wird (§§ 2139, 1922 BGB), behandelt das Erbschaftssteuerrecht den Vorerben uneingeschränkt als Erben (§ 6 Abs. 1 ErbStG), sodass der bei Eintritt der Nacherbfolge erfolgende Übergang des Vermögens auf den Nacherben nach der Grundregel des § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG als vom Vorerben stammender Erwerb zu versteuern ist.
Normenkette
ErbStG § 6 Abs. 2, § 15 Abs. 1, § 16 Abs. 1
Streitjahr(e)
2000
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, welche Steuerklasse und welche Freibeträge im Fall einer Vor- und Nacherbfolge gemäß §§ 6 Abs. 2, 15 Abs. 1 und 16 Abs. 1 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) maßgeblich sind.
Der Kläger ist der Sohn des am xx.05.1981 vorverstorbenen M, dem Lebensgefährten der am xx.08.2000 nachverstorbenen S. M und S hatten am 11.12.1978 einen notariellen Erbvertrag geschlossen. Darin hatten sie sich gegenseitig als Alleinerbe eingesetzt und den Kläger als Ersatzerben bestimmt. Im Fall des Vorversterbens des M sollte S befreite Vorerbin und der Kläger Nacherbe sein. Zudem sollte der Längstlebende berechtigt sein, die Erbeinsetzung des Klägers dergestalt einzuschränken, dass er über bis zu 25 % seines Vermögens abändernde letztwillige Verfügungen treffen konnte. Diese Abänderungsbefugnis sollte jeweils nur das eigene voll verfügbare Vermögen des jeweiligen Testierers betreffen, also nicht das von S im Wege der Vorerbschaft erworbene und von M stammende Vermögen. Der Wert des Vertrages ist mit ca. 60.000 DM angegeben worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die öffentliche Urkunde des Notars G in…vom 11.12.1978, UR .../78, Bezug genommen.
Nach dem Tod des M war ein die S als Alleinerbin ausweisender Erbschein erteilt worden. Nach den Angaben im Erbscheinsverfahren hat sich der Wert des Nachlasses auf 70.107 DM belaufen (78.607 DM - davon 75.087 DM Bausparguthaben - abzüglich 8.500 DM Nachlassverbindlichkeiten). Insoweit wird auf die beigezogenen Nachlassakten des…- Nachlassgericht -…Bezug genommen.
Nach dem Tod der S waren letztwillige Verfügungen der S zugunsten zweier Schwestern und eines Bruders sowie des Klägers aufgefunden worden, die im Widerspruch zu den Regelungen des Erbvertrages standen. Im Verfahren der Erbscheinserteilung kam es zu einer gerichtlichen Klärung. Aufgrund des Beschlusses des Landgerichts…(LG) vom 05.11.2001…wurde schließlich ein Erbschein dahingehend erteilt, dass die S aufgrund gemeinschaftlichen notariellen Erbvertrages vom 11.12.1978 in Verbindung mit eigenhändigen Testamenten vom 21.03. und 24.03.2000 von dem Kläger zu 3/4 und von den beiden Schwestern zu je 1/8 beerbt worden ist.
Der Nachlass bestand im Wesentlichen aus Guthaben bei inländischen Banken in Höhe von 31.590 DM und aus Wertpapieren in einem Depot bei der Z-Bank mit Kurswerten von insgesamt (umgerechnet) 565.319,37 DM.
In dem o.g. nach Beweisaufnahme ergangenen Beschluss des LG ist u.a. hinsichtlich des Depots bei der Z-Bank ausgeführt, dass die Ermittlungen der Kammer nicht ergeben hätten, dass das Guthaben direkt oder im Wege der Surrogation nach § 2111 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu der Vorerbschaft gehört habe, die S nach dem Tod des M angetreten habe. Nach einer Auskunft der Z-Bank vom 03.08.2001 sei das Konto erst im Juni 1983 - etwa 2 Jahre nach dem Tod des M - eröffnet worden. Der Auskunft sei ferner zu entnehmen, dass die S gegenüber ihrer Kundenbetreuerin bei der Z-Bank erklärt haben solle, die eingebrachten Vermögenswerte stammten aus ihrer beruflichen Geschäftstätigkeit, dem Betrieb des…in…Soweit in das Konto Gold im Wert von 28.250 Schweizer Franken (CHF) eingebracht worden sei, liege zwar nahe, dass dieser Vermögenswert aus dem Nachlass des M stamme und daher von dem Kläger gemäß §§ 2130, 2111 BGB beansprucht werden könne. Wegen des nur geringen Anteils im Verhältnis zum Gesamtkontoguthaben wirke sich dies auf die Schlussfolgerung, dass die S durch die Zuwendung des Kontos an ihre beiden Schwestern diese zu jeweils 1/8 als Erbinnen eingesetzt habe, nicht aus. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss des LG vom 05.11.2001 Bezug genommen.
Mit der Erbschaftsteuererklärung beantragte der Kläger zugleich, der Versteuerung hinsichtlich des Vermögens bei der Z-Bank gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG das Verhältnis zu seinem Vater M zugrunde zu leg...