Entscheidungsstichwort (Thema)
Bankenprivileg im Gewerbesteuerrecht
Leitsatz (redaktionell)
- Ob die Voraussetzungen des so genannten Bankenprivilegs im Sinne des § 19 Abs. 1 GewStDV erfüllt sind, ist unter Berücksichtigung des Regelungszwecks der Ermächtigungsgrundlage des § 30c Abs. 1 Nr. 2 GewStG zu beurteilen. Insofern reicht es nicht aus, dass dem Nachweiserfordernis des § 19 Abs. 1 GewStDV entsprochen worden ist.
- Ein Kreditinstitut liegt nur vor, wenn es sich im Wesentlichen um ein am Geld- und Kreditverkehr und damit an den eigentlichen Bankgeschäften ausgerichtetes Unternehmen handelt. Dabei darf für die Frage, ob im Wesentlichen bankübliche Geschäfte betrieben werden, nicht allein auf die Bilanzpositionen abgestellt werden, da diese nicht das Betätigungsfeld der Gesellschaft abbilden.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 1a, § 35c Abs. 1 Nr. 2e; GewStDV § 19 Abs. 1-2
Streitjahr(e)
2008, 2009, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Voraussetzungen des sogenannten ”Bankenprivilegs“ gem. § 19 Abs. 1 der Gewerbesteuerdurchführungsverordnung i.d.F. des Steuerreformgesetz 1990, BGBl. 1988, 1117 (GewStDV) erfüllt sind, was dazu führen würde, dass bei der Ermittlung des Gewerbeertrags die Hinzurechnung von Zinsen gem. § 8 Nr. 1 a des Gewerbesteuergesetzes für die Streitjahre geltenden Fassung (GewStG) eingeschränkt bzw. ausgeschlossen würde.
Die Klägerin gehört zum Konzern der B-Gruppe mit der Autohaus B-GmbH als Konzernspitze. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist laut Gesellschaftsvertrag und Handelsregistereintragung das Management anderer Unternehmen der B-Gruppe, insbesondere die zentrale Buchhaltung, Disposition sowie das Personalmanagement. Tatsächlich erbrachte die Klägerin dann in den Streitjahren diverse Dienstleistungen überwiegend im Konzernverbund, insbesondere im Bereich Finanzen, Buchhaltung, Controlling, Personal, EDV, Marketing und Recht. Darüber hinaus nahm sie faktisch auch die Stellung als Konzernfinanzierungsgesellschaft ein. Der Umfang ihrer Finanzierungstätigkeit ergibt sich aus den mit Schriftsatz vom 23.05.2019 vorgelegten Jahresabschlüssen. In diesen sind insoweit im erheblichen Umfang als Aktivposten Forderungen gegenüber Unternehmen der B-Gruppe und gegenüber Gesellschaftern sowie als Passivposten Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten, Unternehmen der B-Gruppe und gegenüber Gesellschaftern enthalten (vgl. im Einzelnen Bl. 75ff. der Finanzgerichtsakte -FGA-). Die im Zusammenhang mit den Finanzierungsgeschäften in die Jahresabschlüsse eingestellten Bilanzposten sind wesentlich umfangreicher und größer als die übrigen Bilanzposten. So betrug zum Beispiel der Anteil der Aktivposten aus Bankgeschäften im Jahre 2008 98,3% und im Jahre 2016 98,2% der gesamten Aktivposten (vgl. dazu im Einzelnen auch Bl. 66ff. der FGA und die für alle Jahre erstellte Übersicht auf Bl. 74 FGA, in der auch der Anteil der entsprechenden Passivposten dargestellt wird).
Aus den Jahresabschlüssen der Klägerin für die Streitjahre ergibt sich, dass die Klägerin in den einzelnen Jahren aus ihrer Tätigkeit als Finanzierungsgesellschaft für die Unternehmen der B-Gruppe Zinserträge erzielte, darüber hinaus aber für ihre Tätigkeit im Konzern als Dienstleistungsunternehmen in wesentlich größerem Umfang Umsatzerlöse und sonstige Erträge.
Ursprünglich hatte sich die Klägerin in ihren Gewerbesteuererklärungen für 2006 bis 2009 hinsichtlich der Hinzurechnung von Zinsen auf der Grundlage des § 8 Nr. 1a GewStG nicht auf das sogenannte Bankenprivileg des § 19 Abs. 1 GewStDV berufen. Gegen die im Anschluss an eine Außenprüfung betreffend die Jahre 2006 bis 2009 erlassenen gem. § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Gewerbesteuermessbetragsbescheide vom 21.01.2013 legte sie jedoch u.a. auch hinsichtlich der Jahre 2008 und 2009 Einspruch ein und machte erstmals geltend, dass auch Konzernfinanzierungsgesellschaften Kreditinstitute im Sinne des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) sein könnten und dass sie das sog. Bankenprivileg des § 19 Abs. 1 GewStDV in Anspruch nehmen wolle. Mit dem selben Begehren legte die Klägerin gegen die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung hinsichtlich der Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 2010 bis 2012 und gegen die geänderten Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 2013 und 2014, alle Bescheide ergingen am 04.07.2017, sowie gegen den Bescheid für 2015 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 29.08.2016 mit Schreiben vom 04.08.2017 Einspruch ein. Den Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 2016 vom 04.09.2017 griff sie durch Einspruch vom 20.09.2017 und den Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 2017 vom 23.08.2018 durch Einspruch vom 30.08.2018 an (zum Inhalt der jeweiligen Bescheide Bl. 5ff. der FGA). Das Finanzamt wies sämtliche hinsichtlich der Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 2008 bis 2017 und hinsichtlich des ebenfalls angefochtenen Bescheides über d...