Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerungsrecht für eine gezahlte Abfindung bei einem Arbeitsverhältnis im In- und Ausland
Leitsatz (redaktionell)
- Bei Abfindungen, die bis einschließlich 31.12.2016 gezahlt werden, hat die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat zu erfolgen, da gezahlte Abfindungen nach den Doppelbesteuerungsabkommen kein zusätzliches Entgelt für die bisherige Tätigkeit darstellen.
- Durch die in § 50d Abs. 12 S. 1 EStG zum 1.1.2017 eingefügte Fiktion, wonach die Abfindung der Tätigkeit folgt und Abfindungen als für frühere Tätigkeit geleistetes zusätzliches Entgelt gelten, wird der Zusammenhang von Abfindung und früherer Tätigkeit wiederhergestellt, so dass dem Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für die dort erbrachte Arbeit zusteht.
- Soweit das Beschäftigungsverhältnis in verschiedenen Staaten ausgeübt wurde, ist nach Inkrafttreten des § 50d Abs. 12 S. 1 EStG eine zeitanteilige Aufteilung des Besteuerungsrechts auf den jeweiligen Tätigkeitsstaat vorzunehmen. Die Aufteilung ist anteilig nach den in dem jeweiligen Zeitraum erzielten Einkünften vorzunehmen.
Normenkette
EStG § 49 Abs. 1 Nr. 4d, § 50d Abs. 12; OECD-MA Art. 15
Streitjahr(e)
2017
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob und in welche Höhe eine dem Kläger im Jahr 2017 von der Arbeitgeberin gezahlte Abfindung i.H.v. 2.999.000,-€ der deutschen Besteuerung unterliegt.
Der Kläger war seit dem 01.10.2007 bei der A, Deutschland, beschäftigt.
Im Zeitraum vom 01.10.2007 bis 14.08.2009 lebte der Kläger mit seiner Familie in B in Deutschland. Nach klägerischen Vortrag war er einmal wöchentlich beruflich in D tätig. Am 25.08.2009 zog der Kläger mit seiner Familie nach D (Groß Britannien). Der Wohnsitz in B wurde zunächst beibehalten. Nach klägerischen Vortrag pendelte er seit August 2009 regelmäßig zu beruflichen Zwecken zwischen D, B und C (Deutschland). Er habe 3-4 Tage pro Woche in Deutschland gearbeitet und ca. 1 bis 2 Tage pro Woche in D. An den Wochenenden sei er regelmäßig zur Familie nach D zurückgekehrt. Das Gehalt im Zeitraum von August 2009 bis Dezember 2013 wurde von der deutschen Arbeitgeberin getragen.
Mit Wirkung vom 01.01.2014 wurde der Kläger von der deutschen Arbeitgeberin zu E Bank nach D entsandt. Das deutsche Arbeitsverhältnis ruhte ab diesem Zeitpunkt. Das Gehalt wurde von der E Bank in D, ausgezahlt und wirtschaftlich getragen. Ab dem 01.01.2014 wurde der inländische Wohnsitz aufgegeben.
Diese Daten sind zwischen den Beteiligten unstreitig.
Die Arbeitsverhältnisse des Klägers mit der deutschen und englischen Bank wurden insgesamt zum 31.12.2016 beendet.
In einem sich anschließenden Arbeitsgerichtsverfahren vor dem Arbeitsgericht in Deutschland verglichen sich die Arbeitgeberin und der Kläger dahingehend, dass der Kläger eine einmalige Entschädigungszahlung für den Verlust des Arbeitsplatzes i.H.v. 2.999.000 € erhält. Die Zahlung ist dem Kläger im Jahr 2017 zugeflossen.
Die Versteuerung dieses Betrages ist vorliegend streitig.
In seiner Einkommensteuererklärung 2017, die am 04.04.2018 beim beklagten Finanzamt – Finanzamt – eingereicht wurde, wurde die Freistellung der Abfindungszahlung von der deutschen Steuer beantragt, da diese bereits strukturell festgestanden habe; lediglich über die Höhe sei noch gestritten worden. § 50 d Abs. 12 des Einkommensteuergesetzes - EStG – sei daher noch nicht anwendbar gewesen (Bl. 1 ff., 4 11 Einkommensteuerakten).
Das Finanzamt folgte dem nicht und erließ am 26.10.2018 einen Einkommensteuerbescheid 2017 (Bl. 39a Einkommensteuerakten). Das Finanzamt setzte einen steuerpflichtigen Anteil der Abfindungszahlung i.H.v. 2.021.325 € an. Bei der Berechnung der Einkommensteuer wurde die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG berücksichtigt.
Hiergegen legte der Kläger, vertreten durch seinen damaligen Bevollmächtigten, Einspruch ein (Blatt 1 Sonderband Einspruch und Klage).
Unabhängig vom Einspruchsverfahren änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid mit Bescheid vom 12.12.2018 (Bl. 14 Sonderband) wegen einer von der Arbeitgeberin neu eingereichten Lohnsteuerbescheinigung. Hinsichtlich der Steuerfestsetzung i.H.v. 911.945,00 € erfolgte keine Änderung.
Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 12.02.2019 als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass der Kläger seit 2014 keinen Wohnsitz oder keinen gewöhnlichen Aufenthalt mehr im Inland gehabt habe; er sei beschränkt steuerpflichtig. Die Entschädigung unterliege § 49 Abs. 1 Nr. 4 d EStG. Die Abgeltungswirkung des Lohnsteuerabzugs greife nicht ein, da eine Antragsverlagerung nach § 50 Abs. 2 Nr. 4 b EStG gewählt worden sei. Nach dem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Großbritannien (DBA Großbritannien) stehe die Besteuerung der Abfindung – nach Rechtslage vor Einfügung des § 50 d Abs. 12 EStG – grundsätzlich Großbritannien zu, da es sich um eine „echte“ Abfindung handele. Nach der Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 10.6.2015 BStBl. II 2016, 326) handle es sich bei einer solchen Abfindung um Einkünfte aus unselbst...