Entscheidungsstichwort (Thema)
Organschaft bei mittelbare Beteiligung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Besorgnis der Erhebung von Aussetzungszinsen nach § 237 AO begründet ein besonderes Feststellungsinteresse, wenn sich ein Vorauszahlungsbescheid, dessen Vollziehung ausgesetzt war, durch den Erlass des Jahressteuerbescheides erledigt hat.
2. Eine finanzielle Eingliederung bei mittelbarer Beteiligung liegt vor, wenn die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte an der Organgesellschaft von den Gesellschaftern der Organträgergesellschaft (Muttergesellschaft) gehalten wird, sodass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte verfügen und damit der Organträger mittelbar seinen Willen auch in der Organgesellschaft durchsetzen kann.
3. Halten die Gesellschafter einer GmbH, nur zu einem geringfügigen Teil die Anteile an einer Personengesellschaft, deren anderen Anteile von der GmbH gehalten werden, liegt keine finanzielle Eingliederung der GmbH in die Personengesellschaft mittelbar über die Gesellschafter vor.
4. Im Rahmen der finanzielle Eingliederung ist eine Beherrschung durch die Personengesellschaft oder zumindest mittelbar deren Gesellschafter erforderlich; ein Durchgriff durch eine Kapitalgesellschaft auf die hindert diese dieser stehenden Gesellschafter ist dabei nicht zulässig.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2
Streitjahr(e)
1998, 1999
Nachgehend
Tatbestand
Strittig ist die finanzielle Eingliederung der A-GmbH in das Unternehmen der Klägerin, nachdem die A-GmbH ihre Beteiligung an der Klägerin von 30% auf 99,72% erhöht hatte.
Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft, die mit Wirkung zum 1.7.1989 von der B Verwaltungs-GmbH als Komplementärin und B als Kommanditisten gegründet worden war. Die B Verwaltungs-GmbH erbrachte keine Einlage und war daher ohne Kapitalanteil, der Kapitalanteil von B betrug 500.000 DM. Nach § 6 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages gewähren je volle 100 DM eines Kapitalanteils eine Stimme. Unternehmenszweck der Klägerin ist die Verwaltung von Grundstücken. Die Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft obliegt allein der B Verwaltungs-GmbH, die wiederum von ihrem Alleingesellschafter und Geschäftsführer B vertreten wurde. Dieser war auch Alleingesellschafter und Geschäftsführer der A-GmbH. Da diese ihr Unternehmen in dem der Klägerin gehörenden Kühlhaus betrieb, gingen die Beteiligten vom Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft aus. Die Klägerin erfasste somit neben ihren eigenen Umsätzen auch die Umsätze der A-GmbH.
Nach dem Tode von B gingen dessen Anteile an der A-GmbH sowie der Verwaltungs-GmbH zu 20% auf seine Ehefrau C und zu 80% auf seinen Sohn D über, der die Geschäftsführung übernahm. Mit Vertrag vom 31.12.1994 beteiligte sich die A-GmbH zu 30% an der Klägerin, wodurch sich die Anteile der bisherigen Kommanditisten auf 14% (C) und 56% (D) verminderten.
Da die Klägerin das Kühlhaus weiterhin an die A-GmbH vermietete und über ihre beiden Gesellschafter diese mittelbar beherrschte, gingen die Beteiligten auch weiterhin von einer umsatzsteuerlichen Organschaft aus.
Durch Vertrag vom 29.6.1997 übertrugen die Kommanditisten C und D ihre Kommanditanteile bis auf einen Anteil von jeweils 0,14% auf die A-GmbH, die damit 99,72% der Anteile hielt. Gleichwohl erfasste die Klägerin in ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen weiterhin die Umsätze der A-GmbH.
Mit Beschluss vom 1.4.1999 eröffnete das Amtsgericht X das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A-GmbH. Seit diesem Zeitpunkt führt der Insolvenzverwalter Z deren Geschäfte. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass seit diesem Zeitpunkt kein Organschaftsverhältnis mehr besteht. Am 20.4.1999 teilte der Insolvenzverwalter dem FA mit, dass der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin fortgeführt werde und er die Ansicht vertrete, dass ggf. bereits seit Änderung der Beteiligungsverhältnisse im Jahre 1997 kein Organschaftsverhältnis mehr bestand.
Am 26.10.1999 erließ das FA Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide Oktober bis Dezember 1998 und am 10.11.1999 Vorauszahlungsbescheide für Januar bis März 1999, in denen es auch die Umsätze der A-GmbH erfasste. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung, die das FA mit Verfügung vom 26.11.1999 gewährte.
Den Einspruch wies das FA am 10.1.2001 unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 20.1.1999 IX R 69/97 (BFH/NV 1999, 1136) als unbegründet zurück. Danach liege eine finanzielle Eingliederung bei mittelbarer Beteiligung auch dann vor, wenn die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft von den Gesellschaftern der Organträgergesellschaft (Muttergesellschaft) gehalten würden, sodass in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Stimmrechtsmehrheit verfügten und damit der Organträger mittelbar seinen Willen auch in der Organgesellschaft durchsetzen könne. Im Streitfall seien die Verhältnisse vergleichbar, da D und C an der A-GmbH zu ...