Entscheidungsstichwort (Thema)
Billigkeitserlass von Steuern die aufgrund der Nichtabzugsfähigkeit von Geldbußen entstehen
Leitsatz (redaktionell)
1. Das in § 4 Abs. 5 Nr. 8 S. 4 EStG zum Ausdruck gekommene gesetzgeberische Ziel, einen Abzug vom Geldbußen dann auszuschließen, wenn die Steuern vom Einkommen und Ertrag, die auf den wirtschaftlichen Vorteil entfallen, nicht bußgeldmindernd berücksichtigt worden sind, und somit eine Doppelbelastungen zu vermeiden, kann nur bei einem vollständigen Erlass sachgerecht erreicht werden.
2. Soll eine Geldbuße aufgrund der Begründung im Bußgeldbescheid ausdrücklich der Abschöpfung von Einnahmen dienen, die durch illegale Geschäfte zugeflossen sind, ist eine Aufspaltung in einen Ahndungs- und Abschöpfungsteil nicht vorzunehmen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8; AO § 227
Streitjahr(e)
1975, 1976
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, in welcher Höhe der Kläger den Erlass von Einkommensteuer 1975 und 1976 und Aussetzungszinsen 1975 aus sachlichen Billigkeitsgründen verlangen kann.
Der Kläger war in den Jahren 1975 und 1976 am Bankhaus ….. (KG) beteiligt. Gegen die KG hatten die Oberfinanzdirektionen (OFD) A. (Bescheid vom 10.06.1976) und die OFD B. (Bescheid vom 01.07.1976) Geldbußen in Höhe von insgesamt xxx Mio. DM sowie Kosten in Höhe von xxx,-- DM verhängt, da die Bank im Jahr 1973 nicht genehmigte Wertpapiergeschäfte getätigt hatte. Dem Bußgeldbescheid der OFD A. vom 10.06.1976, auf den wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird, lag ein von der Landeszentralbank ermittelter wirtschaftlicher Vorteil aus diesen Wertpapiergeschäften in Höhe von xxx,-- DM zu Grunde.
Die KG verbuchte die gegen sie festgesetzten Geldbußen einschließlich der Kosten in Höhe von insgesamt x.xxx.xxx,-- DM als betrieblichen Aufwand in Gestalt von Rückstellungen (1975: x,x Mio. DM, 1976: xxx.xxx,-- DM).
Aufgrund einer im Jahr 1983 durchgeführten Betriebsprüfung ließ das für die KG zuständige Betriebsfinanzamt C den Abzug der in den Feststellungserklärungen geltend gemachten Geldbußen als Betriebsausgaben nicht mehr zu. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde vom Betriebsstättenfinanzamt unter Hinweis auf die §§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 8, 52 Abs. 3a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung 25.07.1984 als unbegründet zurückgewiesen. Die daraufhin erhobenen Klagen wurden im Anschluss an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von 23.01.1990 BvL 4-7/97, BStBl II 1990, 483 und das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24.07.1990 VIII R 194/84, BStBl II 1992, 508 zurückgenommen. Das Finanzamt setzte Aussetzungszinsen aus einer zuvor gewährten Aussetzung der Vollziehung fest.
In der Folge beantragte der Kläger mit Schreiben vom 29.04.1991 ihm die aus der Versagung des Betriebsausgabenabzugs der Geldbußen resultierende Einkommensteuer 1975 i.H.v. xx.xxx,-- DM (=xx.xxx,xx EUR), Einkommensteuer 1976 i.H.v. x.xxx,-- DM (=x.xxx,xx EUR) und die Aussetzungszinsen 1975 i.Hv. x.xxx,-- DM (=x.xxx,xx EUR) aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen. Zur Begründung führte er aus, diese Verpflichtung lasse sich aus dem BVerfG-Beschluss in BStBl II 1990, 483, für die Fälle herleiten, in denen Geldbußen unter Berücksichtigung des erlangten Vorteils festgesetzt und die Bußgeldbescheide noch vor der rückwirkenden Änderung des EStG im Jahre 1984 rechtskräftig geworden seien.
Der Billigkeitserlass wurde zunächst abgelehnt, die hiergegen gerichtete Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Die Beschwerdeentscheidung wurde vornehmlich damit begründet, dass die Nichtabzugsfähigkeit der Geldbußen den geltenden gesetzlichen Bestimmungen entspreche und der Gesetzgeber möglicherweise dadurch auftretende Härten bewusst in Kauf genommen habe. Daran ändere auch die spätere Einführung der Abzugsfähigkeit von Geldbußen, welche unter Berücksichtigung des erlangten Bruttovorteils festgesetzt worden seien, durch das Steueränderungsgesetz 1992 nichts. Diese Regelung sei zwar gerade zur Vermeidung einer Doppelbelastung erfolgt, aber nur auf noch nicht bestandskräftige Veranlagungen anzuwenden, und somit habe der Gesetzgeber eine Doppelbelastung bei – wie hier – bestandskräftigen Veranlagungen hingenommen. Der Grundsatz von Treu und Glauben könne nicht geltend gemacht werden. Im Übrigen seien die Bußgeldbescheide nicht angefochten worden.
Der beantragte Erlass der Einkommensteuer 1975 und 1976 sowie der entsprechenden Aussetzungszinsen 1975 wurde mittels Klage beim Hessischen Finanzgericht und beim Bundesfinanzhof weiterverfolgt. Der Bundesfinanzhof hat sodann in seiner Entscheidung die Voraussetzungen für einen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen dem Grunde nach bejaht (BFH-Urteil vom 09.01.1997 IV R 5/96, BStBl II 1997, 353 und Parallelverfahren). Er wies aber im Urteil darauf hin, dass er die Finanzverwaltung nicht verpflichten könne, den begehrten Erlass auszusprechen, da eine sol...