Leitsatz
1. Der Hinzurechnungsbetrag nach §§ 7, 10 AStG ist keine Einnahme i.S.d. § 3c EStG 1990.
2. Es ist nicht missbräuchlich, wenn eine Tochtergesellschaft ihr Ausschüttungsverhalten gegenüber der Muttergesellschaft danach ausrichtet, dass die Muttergesellschaft einerseits für die Ausschüttungen in den Genuss des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs kommt und ihr andererseits die Möglichkeit erhalten bleibt, die mit der Beteiligung in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Kosten als Betriebsausgaben abzuziehen (Bestätigung des Senatsurteils vom 29.5.1996, I R 21/95, BStBl II 1997, 63).
Normenkette
§ 42 AO, § 2, § 3c, § 8 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 7, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 2 Satz 1, § 10 Abs. 5 AStG a.F., Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 DBA-Belgien
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, war in den Streitjahren 1990 bis 1993 Beteiligungsgesellschaft einer US-amerikanischen Unternehmensgruppe.
Mit Wirkung vom 2.11.1989 gründete sie zusammen mit einer britischen und einer französischen Tochtergesellschaft, der D-Ltd., Großbritannien, sowie der D-S.A., Frankreich, die X-S.A. I mit Sitz in Belgien, an welcher nach einer Kapitalerhöhung im Jahr 1990 die drei Anteilseigner jeweils 1/3 der Anteile hielten. Zeitgleich mit der Gründung der X-S.A. I wurde die X-S.A. II, ebenfalls mit Sitz in Belgien, gegründet. Anteilseigner dieser Gesellschaft war mehrheitlich die X-S.A. I. Schließlich wurde in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang durch US-amerikanische Konzerngesellschaften der Unternehmensgruppe die X-S.A. III in Belgien gegründet. Diese sollte ein neues zur Herstellungswerk errichten.
Zur Finanzierung der Errichtung des Werks gewährte eine Bank der niederländischen X-B.V., einer weiteren Konzerngesellschaft, entsprechende Darlehen. Die X-B.V. gab das gewährte Darlehen zu gleichen Teilen an die D-S.A., die D-Ltd. sowie die Klägerin weiter. Die Zinsaufwendungen wurden von diesen drei Gesellschaften getragen und als Aufwand verbucht. Alle drei Gesellschaften nutzten die empfangenen Darlehen zur Erhöhung ihrer Kapitalanteile an der X-S.A. I, die ihrerseits die Mittel zur Erhöhung ihres Geschäftsanteils an der X-S.A. II verwendete. Die X-S.A. II hat die Mittel sodann der X-S.A. III zur Errichtung des Werks als Darlehen zur Verfügung gestellt.
Das FA ließ die geltend gemachten Finanzierungskosten für das von der X-B.V. erhaltene Darlehen unter Hinweis auf § 3c EStG 1990 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG und § 7 GewStG 1984/1991 nicht zum BA-Abzug zu. Die X-S.A. I sei eine Zwischengesellschaft i.S.d. §§ 7 bis 14 AStG, weshalb bei der Klägerin grundsätzlich ein entsprechender Hinzurechnungsbetrag zu berücksichtigen sei. Da dieser jedoch nach § 10 Abs. 5 AStG a.F. i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 1 DBA Belgien nicht anzusetzen sei, handle es sich insoweit um steuerfreie Einnahmen, was wiederum nach § 3c EStG 1990 den BA-Abzug ausschließe.
Die Klage gegen die dementsprechend geänderten Steuerbescheide war erfolgreich (EFG 2005, 335).
Entscheidung
Der BFH gab der Klägerin Recht. Hinzurechnungsbeträge seien technische Einkünfteerhöhungsposten und damit keine Einnahmen i.S.v. § 3c EStG als Voraussetzung für das hieraus folgende Abzugsverbot. Es sei auch nicht missbräuchlich, dass die beteiligten Konzerngesellschaften zum Zweck der steuerlichen Optimierung ihr Ausschüttungsverhalten so aufeinander abgestimmt hätten, dass der BA-Abzug möglichst voll erhalten bleibe.
Hinweis
1. Mit diesem Urteil entscheidet der BFH über eine alte Streitfrage, nämlich jene nach der Reichweite des § 3c EStG und des darin konstituierten Abzugsverbots für Hinzurechnungsbeträge nach §§ 7, 10 AStG, falls diese ausnahmsweise steuerfrei sind. Letzteres war nach früherer Regelungslage gem. § 10 Abs. 5 AStG a.F. dann möglich, wenn für die Hinzurechnungsbeträge das abkommensrechtliche Schachtelprivileg für Dividenden zu gewähren war (im Urteilsfall gem. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 3 und 1 DBA Belgien).
2. Das Urteil betrifft also ausgelaufenes Recht. Dazu stellt der BFH klar:
Zwar sei der Hinzurechnungsbetrag eine sog. Quasi-Ausschüttung, welche zu den Einkünften i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehört (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG) und fiktiv entsprechenden Rechtsfolgen unterworfen wird.
Dessen ungeachtet ist der Hinzurechnungsbetrag keine Einnahme, sondern ein Einkünfteerhöhungsbetrag, der die Einkünfte aus Kapitalvermögen oder den Gewinn außerhalb der Überschussrechnung i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG oder der Gewinnermittlung i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG erhöht. Eine "Einkunftsermittlung", also eine Nettobetrachtung, findet auf den Hinzurechnungsbetrag eben gerade nicht statt. Damit fehlen dann aber zugleich steuerfreie Einnahmen als Voraussetzung für das Abzugsverbot gem. § 3c EStG. Im Ergebnis werden Quasi-Gewinnausschüttungen gem. §§ 7 ff AStG infolge der "Hinzurechnungstechnik" damit "besser" behandelt als "echte" Gewinnausschüttungen, die im Fall ihrer (abkommensrechtlichen) Freistellung nach der Rechtsprechung des BFH den BA-Abzug...