Leitsatz
Bei einer mehrtägigen Hochseeangelreise stellen die Unterkunft und Verpflegung sowie diejenigen Dienstleistungen, die dazu dienen, dass die Passagiere den Angelsport optimal ausüben und das Fanggut transportieren können, Nebenleistungen zu der Personenbeförderung dar.
Normenkette
§ 3a Abs. 1, § 3b Abs. 1 UStG
Sachverhalt
Der Kläger ist Eigentümer eines zu einem Hochseeangelfahrzeug umgebauten Schiffes. Dieses hat 2- und 4-Bett-Kabinen mit Dusche und WC für jede Kabine und einen Salon. Auf dem Deck befindet sich ein "Schlachtplatz" zur Verarbeitung des Fangs. Es besteht die Möglichkeit, den Fang direkt nach der Verarbeitung zu frosten.
Der Kläger bot in den Streitjahren 1997 bis 2001 mehrtägige Hochseelangelreisen in drei Fanggebiete in der Ostsee von verschiedenen Abfahrtshäfen zu Preisen von durchschnittlich 180 DM pro Tag und Person an.
Er behandelte diese Reisen als nicht steuerbare Beförderungsleistungen.
Das FA sah darin dagegen sonstige Leistungen und keine Beförderungsleistungen, sodass der Ort der Leistungen gem. § 3a Abs. 1 UStG im Inland liege und die Leistungen steuerpflichtig seien.
Das Schleswig-Holsteinische FG wies die Klage ab: Es liege eine einheitliche sonstige Leistung vor, für die nicht die Beförderung, sondern das Angeln in bestimmten Fanggebieten prägend sei (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil 23.06.2009, 4 K 41/05, Haufe-Index 2220474, EFG 2010, 82).
Entscheidung
Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Der BFH wertete die Hochseeangelreise als einheitliche Leistung, bei der entgegen der Auffassung des FG das Beförderungselement dominiere. Die Gründe ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.
Der BFH konnte in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil Feststellungen zu den Anteilen der jeweils inländischen und ausländischen Strecken fehlten und nicht feststand, ob auch Korrekturen bei der Vorsteuer vorzunehmen waren.
Hinweis
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der deutschen USt u.a. sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
Nach § 3a Abs. 1 S. 1 UStG wird eine sonstige Leistung – vorbehaltlich der Regelungen in § 3b und § 3f UStG – an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt.
Gem. § 3b Abs. 1 S. 1 UStG wird eine Beförderungsleistung dort ausgeführt, wo die Beförderung bewirkt wird. Wenn sich eine Beförderung nicht nur auf das Inland erstreckt, unterliegt der deutschen USt nur der Teil der Leistung, der auf das Inland entfällt (§ 3b Abs. 1 S. 2 UStG).
2. Eine Hochseeangelreise setzt sich aus einem Bündel von Leistungen, nämlich Beförderung, Unterbringung, Verpflegung, Möglichkeit zum Angeln sowie Schlachten und Gefrieren der Fische zusammen.
Bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, ist nach der Rechtsprechung des EuGH eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Leistungen oder eine einheitliche Leistung vorliegt.
Eine einheitliche Leistung liegt dann vor, wenn
- zwei oder mehr Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufteilung wirklichkeitsfremd wäre oder
- ein oder mehrere Teile als die Hauptleistung, andere Teile als Nebenleistungen anzusehen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 11.06.2009, C-572/07, "RLRE Tellmer Property sro", BFH/NV 2009, 1368, Rn. 19).
Wie es sich im konkreten Fall verhält, haben die nationalen Gerichte zu entscheiden (EuGH, Urteil vom 10.03.2011, C-497/09 u.a., "Bog", BFH/NV 2011, 956, BFH/PR 2011, 184, Rn. 55).
3. Der BFH hat bereits entschieden, dass Pauschalreisen mit Kabinenschiffen auf Binnenwasserstraßen als einheitliche Leistung zu qualifizieren und dass die Unterbringung und Verpflegung Nebenleistungen zur Personenbeförderung sind (BFH, Urteil vom 01.04.1996, V R 58/94, BFH/NV BFH/R 1997, 65).
Danach spricht viel dafür, auch eine Hochseeangelreise ist als einheitliche Leistung, und zwar als Beförderungsleistung, einzustufen.
Zwar kann man darüber, ob bei einer Hochseeangelreise das Beförderungselement dominiert und die Unterkunft, Verpflegung, Angel-, Schlacht- und Gefriermöglichkeit nur Nebenleistungen sind oder ob sich die Leistungselemente zu einer eigenständigen Leistung eigener Art verbinden, mit jeweils vertretbaren Gründen unterschiedlicher Meinung sein. Geht man jedoch mit der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BFH davon aus, dass Pauschalreisen mit Kabinenschiffen auf Binnenwasserstraßen als Personenbeförderung zu beurteilen sind, liegt es nahe, auch eine Hochseeangelreise als Beförderungsleistung zu qualifizieren.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Tatsache der Beförderung durch ein dafür geeignetes Fahrzeug nicht entfällt, wenn das Motiv nicht in dem wirtschaftlichen Nutzen einer Beförderung zu sehen ist, sonde...