Rz. 445
Lehnt die Geschäftsführung ein Minderheitsverlangen ab oder kommt sie diesem nicht innerhalb angemessener Zeit durch eine entsprechende Einladung vollständig nach – je nach Dringlichkeit und Komplexität spätestens innerhalb eines Monats – kann die Minderheit gem. § 50 Abs. 3 GmbHG die Einberufung der Gesellschafterversammlung bzw. Ergänzung der Tagesordnung selbst vornehmen. Das Selbsthilferecht entfällt allerdings wieder, wenn vor seiner Ausübung eine entsprechende Einladung bzw. Ergänzung durch die Geschäftsführung erfolgt. Eine durch die Minderheitsgesellschafter anberaumte Gesellschafterversammlung bleibt wirksam einberufen und erledigt sich nicht, wenn die Geschäftsführung selbst – wenn auch verspätet – noch eine frühere oder nahezu gleichzeitige Gesellschafterversammlung einberuft bzw. die Tagesordnung wunschgemäß erweitert. Die Einberufungskompetenz der Geschäftsführung wird durch die Ausübung des Selbsthilferechts nicht verdrängt. Deshalb sind sogar Einberufungen durch die Geschäftsführung mit derselben Tagesordnung wie die einer bereits von der Minderheit einberufenen Versammlung denkbar und wirksam. Sind die Gesellschafter nicht wegen abschließender Behandlung der betreffenden Beschlussgegenstände zur Rücknahme der Einberufung verpflichtet, kann es tatsächlich zu zwei Versammlungen kommen.
Selbsthilferecht der Minderheit
Die Minderheit kann von ihrem Selbsthilferecht in der Weise Gebrauch machen, dass sie die zuvor geforderten Tagesordnungspunkte vollständig oder nur teilweise ankündigt. Erweiterungen auf neue, zuvor nicht geforderte Tagesordnungspunkte sind hingegen unzulässig.
In der Einberufung oder Bekanntmachung muss auf die der Selbsthilfe zugrunde liegenden Umstände hingewiesen werden; ansonsten sind die gefassten Beschlüsse analog § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar. Es muss also angegeben werden, welche Gesellschafter einberufen und welche Geschäftsanteile ihnen zustehen, worauf sie ihr Einberufungs- oder Ankündigungsbegehren gegenüber der Geschäftsführung gestützt haben (§ 50 Abs. 1, Abs. 2 GmbHG), zu welchem Zeitpunkt ihr Verlangen den Geschäftsführern zugegangen ist und um welche Gegenstände der Beratung oder Beschlussfassung es ihnen geht. Dadurch soll es den übrigen Gesellschaftern ermöglicht werden, selbst zu prüfen, ob das Einberufungsverlangen berechtigt ist.
Rz. 446
Liegen die Voraussetzungen der Selbsthilfe nicht vor, sind die in einer von der Gesellschafterminderheit einberufenen Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse nichtig. Geht es hingegen nur um einzelne Tagesordnungspunkte, die unberechtigt von einer Gesellschafterminderheit angekündigt wurden, kann wirksam Beschluss gefasst werden, wenn die Tagesordnungspunkte rechtzeitig angekündigt wurden. Wegen der Möglichkeit der Selbsthilfe wird es in der Praxis kaum möglich sein, einen Anspruch auf Einberufung einer Gesellschafterversammlung oder Ergänzung der Tagesordnung gerichtlich durchzusetzen. Ein Rechtsschutzbedürfnis dürfte nur in Ausnahmefällen bestehen.
Rz. 447
Die Geschäftsführung kann der Einberufung durch eine Minderheit durch eigene Ergänzung bzw. Einberufung zuvorkommen. Analog § 51 Abs. 2, Abs. 4 GmbHG kann die Geschäftsführung die Tagesordnung auch innerhalb der 3-Tages-Frist durch eigene Tagesordnungspunkte ergänzen.
Rz. 448
Gem. § 50 Abs. 3 Satz 2 GmbHG beschließt die Gesellschafterversammlung darüber, ob die Kosten der Gesellschafterversammlung durch die Gesellschaft zu tragen sind; von dieser Vorschrift werden die Kosten der Einberufung (insb. Portokosten, Rechtsberatungskosten etc.) sowie die Kosten der Versammlung (Saalmiete etc.) erfasst, nicht jedoch Reisekosten der anreisenden Gesellschaft. Eine Gesellschafterminderheit ist nicht berechtigt, die Gesellschaft im Zusammenhang mit einer Gesellschafterversammlung nach außen zu vertreten und in ihrem Namen Verbindlichkeiten einzugehen. Die Kosten der Gesellschafterversammlung können nur dann der Gesellschaft auferlegt werden, wenn die Gesellschafter dies mit einfacher Mehrheit beschließen. Die Gesellschafterversammlung ist bei ihrer Beschlussfassung darüber nicht frei, sondern unterliegt der Treuepflicht. Erfolgte die Abhaltung der Gesellschafterversammlung im Interesse der Gesellschaft, wäre ein ablehnender Beschluss treuwidrig und anfechtbar.