Rz. 595
Gesellschafterbeschlüsse sind entsprechend § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar, wenn sie gegen eine gesetzliche Bestimmung oder eine Satzungsregelung verstoßen. Auch Verstöße gegen die Treuepflicht, den Gleichbehandlungsgrundsatz oder gegen die Bindung an den Gesellschaftszweck können, obwohl es sich nicht um gesetzliche Bestimmungen handelt, zu einer Anfechtbarkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung führen.
Rz. 596
Anders als beim nichtigen Beschluss kann ein anfechtbarer Beschluss nur innerhalb der Anfechtungsfrist vernichtet werden; danach bleibt der Beschluss zwar materiell rechtswidrig, der Mangel kann aber nicht mehr geltend gemacht werden. Strittig ist, welche Konsequenzen sich daraus ergeben: Relevant wird dies insb. bei der Frage, ob die Geschäftsführung einen anfechtbaren Beschluss nach Ablauf der Frist ausführen muss und ob das Handelsregister einen solchen Beschluss eintragen muss oder die Eintragung verweigern darf.
Anfechtbare Beschlüsse sind wie folgt zu behandeln:
Rz. 597
- Der Versammlungsleiter muss deren Entstehung vermeiden, indem er bei Verfahrensfehlern überhaupt keine und im Übrigen keine inhaltlich anfechtbaren Beschlüsse zur Abstimmung stellt.
Rz. 598
- Der protokollierende Notar muss auf Anfechtungsgründe hinweisen; ihre Beurkundung darf er jedoch nicht verweigern.
Rz. 599
- Solange ein Beschluss anfechtbar ist, muss er von der Geschäftsführung nicht ausgeführt werden. Die Geschäftsführung darf den Beschluss aber ausführen, wenn er nicht innerhalb der Anfechtungsfrist angefochten wurde; bis dahin steht die rückwirkende Vernichtung im Raum. Bei der Entscheidung, ob ein umstrittener Beschluss umgesetzt werden soll, sind die jeweiligen Konsequenzen abzuwägen: Einerseits ist die Geschäftsführung vom Mehrheitswillen der Gesellschafter abhängig, andererseits haben nachträglich für nichtig erklärte Beschlüsse keine haftungsbefreiende Wirkung. Ein Verschulden der Geschäftsführung als Voraussetzung für eine Schadensersatzhaftung kann jedoch entfallen, wenn die Anfechtbarkeit ohne Sorgfaltsverstoß verneint wurde, etwa weil der Verstoß nicht erkennbar gewesen ist. Nach Ablauf der Anfechtungsfrist ist die Geschäftsführung ausführungspflichtig.
Rz. 600
- Das Registergericht ist berechtigt (aber nicht verpflichtet), die Eintragung eintragungsbedürftiger Beschlüsse (Satzungsänderungen, Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen sowie strukturändernde Maßnahmen) bis zum Ablauf der grundsätzlich einmonatigen Anfechtungsfrist zu verweigern. Auch eine Anfechtungsklage bewirkt keine Registersperre. Das Registergericht beurteilt selbstständig, ob es einen Beschluss für rechtswidrig hält oder nicht. Wird ein anfechtbarer Beschluss für nichtig erklärt, muss das Gericht die Anmeldung – sofern sie nicht bereits erfolgt ist – zurückweisen. Wird eine Anfechtungsklage hingegen abgewiesen, kann das Registergericht immer noch die Eintragung verweigern. Dies ist dann der Fall, wenn es Verstöße gegen zwingendes Recht unterhalb der Nichtigkeitsschwelle zu erkennen glaubt, z. B. bei einem Verstoß gegen Vorschriften, die dem öffentliche Interesse oder dem Gläubigerschutz dienen. Die Abweisung der Anfechtungsklage hat nämlich keine bindende Gestaltungswirkung. Endet die Anfechtungsfrist ohne Klageerhebung, gilt dasselbe.
9.2.1 Anfechtungsgründe
Rz. 601
Anfechtungsgründe sind die Verletzung