Leitsatz
Die Veräußerung nicht wesentlicher Beteiligungen an Kapitalgesellschaften mit anschließender ausschüttungsbedingter Teilwertabschreibung bei der Erwerberkapitalgesellschaft (sog. Anteilsrotation) stellt nur ausnahmsweise einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten dar, z.B. wenn eine Veräußerung tatsächlich wirtschaftlich nicht gewollt ist. Dies kommt in Betracht, wenn die Anteilseigner der veräußerten Kapitalgesellschaft zugleich die erwerbende Gesellschaft beherrschen, diese sogleich liquidiert wird und das Vermögen der veräußerten Kapitalgesellschaften bereits vor Veräußerung auf die Anteilseigner wirtschaftlich übertragen worden ist.
Sachverhalt
Die Kläger (zusammenveranlagte Eheleute) und zwei weitere Personen (X und C) waren (über eine als Treuhänder fungierende GmbH) zu jeweils 25% an verschiedenen Projektgesellschaften beteiligt, welche jeweils nach Gründung ein Grundstück erwarben, bebauten und kurzfristig mit Gewinn wieder veräußerten. Danach veräußerte die Treuhänderin (letztlich also die Kläger sowie X und C) die Anteile an den Projektgesellschaften an eine Q-GmbH (nachfolgend "Q" genannt), deren Alleingesellschafterin die Klägerin war. Die anderen Beteiligten waren an dieser Gesellschaft nicht beteiligt. Der Anteil am Veräußerungsgewinn war bei den Klägern, X sowie C gem. § 17 EStG steuerfrei, da die Beteiligungen jeweils nicht mehr als 25% betrugen. Die Q nahm im Anschluß daran jeweils Teilwertabschreibungen auf die Beteiligungen an den Projektgesellschaften vor, nachdem die Projektgesellschaften ihren Gewinn an die Q ausgeschüttet hatten. Später wurden die Projektgesellschaften auf die Q verschmolzen.
Das Finanzamt nahm einen Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 AO an. Die anteiligen Veräußerungserlöse stellten in Wirklichkeit steuerpflichtige Einnahmen aus Kapitalvermögen dar. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und ließ die Revision nicht zu.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG bestehen bereits Bedenken, ob § 42 AO auf den Streitfall Anwendung findet. Insoweit enthält nämlich § 50 c Abs. 1 Satz 1 EStG eine besondere Regelung zur Vermeidung eines Mißbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten in Fallgestaltungen wie der hier zu entscheidenden, so dass eine Anwendung der allgemeinen abgabenrechtlichen Mißbrauchsvorschrift (§ 42 AO) dem Grunde nach ausgeschlossen ist (so Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil v. 26.9.2001, EFG 2002 S. 91). Letztlich ließ das FG diese Frage aber offen, da es schon keinen Gestaltungsmißbrauch annahm. Die von den Klägern gewählte Gestaltung führe zwar im Ergebnis dazu, daß ihnen aufgrund der Regelung des § 17 EStG die Gewinne der Objektgesellschaften weitgehend steuerfrei zufließen. Das Motiv, Steuern zu sparen, mache eine Gestaltung jedoch nicht unangemessen. Die Steuerpflichtigen seien auch grundsätzlich frei in der Entscheidung, eine zur Liquidation anstehende Gesellschaft selbst zu liquidieren oder zu diesem Zweck an einen Dritten zu veräußern, um so die Realisierung des durch die Gesellschaftsanteile verkörperten Vermögens zu erreichen (BFH, Urteil v. 18.7.2001, I R 48/97, BFH/NV 2001 S. 1636). Der hier gewählten Vorgehensweise könne ein wirtschaftlicher Zweck nicht ohne weiteres abgesprochen werden. Sie berge für die Kläger jedenfalls den Vorteil tatsächlich und rechtlich einfacher Handhabung. Die Veräußerung von Beteiligungen zum Zwecke der Liquidation sei auch im Rahmen gewandelter Unternehmenspolitik nicht ungewöhnlich und auch nicht unangemessen. Die Begrenzung des Wesentlichkeitskriteriums in § 17 EStG sei eine gesetzgeberische Entscheidung, die durch die Anwendung des § 42 AO nicht korrigiert werden dürfe. Allenfalls in besonderen Ausnahmefällen könne von einem Mißbrauch ausgegangen werden. Dies könne etwa dann der Fall sein, wenn der zwischengeschaltete Erwerber alsbald wieder liquidiert wird, der Gewinn schon vor Veräußerung wirtschaftlich etwa in Form von Darlehen auf die Anteilseigner übertragen worden war und letztlich im Ergebnis eine Veräußerung überhaupt nicht gewollt war.
Hinweis
Die vom FG zu beurteilende Sachverhaltsgestaltung hatte der Gesetzgeber in § 50 c Abs. 11 EStG mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1997 dergestalt geregelt, dass eine Teilwertabschreibung bei der erwerbenden Gesellschaft auch beim Erwerb von zur Anrechnung von Körpersteuer berechtigten Steuerpflichtigen eingeschränkt wurde. Damit wurde Gestaltungen der hier vorliegenden Art weitgehend der Boden entzogen. Nach dem Steuersenkungsgesetz ist die Notwendigkeit einer entsprechenden Regelung infolge der Abschaffung des körpersteuerlichen Anrechnungsverfahrens und der Erweiterung des § 17 EStG (Herabsetzung der Beteiligungsgrenze auf 1%) entfallen und § 50 c EStG ersatzlos aufgehoben worden. Aufgrund der Sperrfrist in § 50 c Abs. 3 EStG (10 Jahre) behält die Vorschrift allerdings noch für eine Übergangszeit Bedeutung, wenn vor dem 1.1.2002 ein Sperrbetrag zu bilden war (vgl. § 52 Abs. 59 EStG in der Form des Steuersenkungsgesetzes und R 227d ESt...