Leitsatz
1. Einem in Deutschland beschränkt steuerpflichtigen US-amerikanischen Staatsangehörigen steht das Veranlagungswahlrecht für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b i.V.m. Satz 7 EStG auch dann nicht zu, wenn er in einem EU- oder EWR-Staat (hier: Niederlande) wohnt. Aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 1 DBA-USA 1989/2008 ergibt sich insoweit kein Anspruch auf Gleichbehandlung mit einem beschränkt steuerpflichtigen deutschen Staatsangehörigen.
2. Im Rahmen der Prüfung der "gleichen Verhältnisse" i.S. von Art. 24 Abs. 1 Satz 1 DBA-USA 1989/2008 sind nicht nur die tatsächlichen Umstände, sondern auch die rechtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, die für die jeweilige Besteuerung maßgeblich sind. Im Fall des § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG sind dies die auf Unionsrecht (Arbeitnehmerfreizügigkeit) beruhende Verpflichtung Deutschlands zur Schaffung des Veranlagungswahlrechts und die Begrenzung der unionsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit auf Staatsangehörige der Mitgliedstaaten.
3. Eine abkommensdurchbrechende Wirkung eines Gesetzes ("Treaty override") kann nur angenommen werden, wenn der Wille zur Abkommensüberschreibung im Wortlaut der Norm zum Ausdruck kommt oder durch Auslegung zweifelsfrei zu ermitteln ist. Eine Rangfolge zwischen Normen des innerstaatlichen Steuerrechts und des Abkommensrechts kann daher nicht allein an der zeitlichen Reihenfolge ihres jeweiligen Inkrafttretens festgemacht werden.
Normenkette
§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b, Abs. 2 Satz 7 EStG, Art. 24 Abs. 1 DBA-USA 1989/2008, § 2 AO
Sachverhalt
Der Kläger ist Staatsangehöriger der USA. Er hatte im Streitjahr (2012) seinen alleinigen Wohnsitz in den Niederlanden; im Inland hatte er weder Wohnsitz noch dauernden Aufenthalt.
Vom 13.10. bis 31.12.2012 erzielte der Kläger als Opernsänger in X Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, die sich aus den Honoraren als Opernsänger, Fahrtkosten sowie den Arbeitgeberanteilen "Vermittlungsprovisionen Künstleragentur" und "Altersvorsorgeaufwendungen" zusammensetzten.
Der Arbeitgeber des Klägers führte an das FA Lohnsteuer sowie Solidaritätszuschlag ab. Der Lohnsteuerabzug erfolgte nach Maßgabe des BMF-Schreibens vom 31.7.2002 (BStBl I 2002, 707) zur Besteuerung der Einkünfte bei beschränkt einkommensteuerpflichtigen Künstlern pauschal mit einem Steuersatz von 25 %.
In 2014 beantragte der Kläger beim FA die Durchführung einer Veranlagung für beschränkt steuerpflichtige Personen. Dabei erklärte er u.a. Werbungskosten im Zusammenhang mit seinen inländischen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Das FA lehnte den Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer ab. Die Regelung des § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b EStG zur Veranlagung beschränkt Steuerpflichtiger finde nach Maßgabe von § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG auf den Kläger keine Anwendung, weil dieser insbesondere kein Angehöriger eines Mitgliedstaats der EU sei. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 7.6.2016, 6 K 1213/14, Haufe-Index 9923773, EFG 2016, 1980).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück. Wegen der Begründung kann auf die Praxis-Hinweise verwiesen werden.
Hinweis
1. Die Entscheidung ist für ausländische Arbeitnehmer und für den Fiskus von recht großer praktischer Bedeutung, wie der BMF-Beitritt zum Revisionsverfahren zeigt.
2. Ausgangspunkt der rechtlichen Problematik ist das zu einiger Berühmtheit gekommene Schumacker-Urteil des EuGH zur Arbeitnehmerfreizügigkeit. Bis dahin wurden beschränkt Steuerpflichtige und damit auch beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer nach den in §§ 49ff. EStG niedergelegten Regelungen besteuert. Das hieß im Wesentlichen, dass die inländischen Lohneinkünfte abgeltend besteuert wurden und Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen nicht abgezogen werden konnten. Das Schumacker-Urteil zwang den deutschen Gesetzgeber zum Handeln und dieser schuf mit § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b i.V.m. Satz 7 EStG ein Veranlagungswahlrecht für Lohneinkünfte beschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer; allerdings nicht für alle ausländischen Arbeitnehmer, sondern nur für Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staats, die in der EU oder dem EWR auch ihren Wohnsitz haben.
3. Der Kläger gehörte als US-Bürger nicht zu dieser Personengruppe und er machte, durchaus naheliegend, eine Diskriminierung geltend. Diskriminierungen wegen der Staatsangehörigkeit sind nach dem DBA USA – wie nach vielen anderen DBA – "eigentlich" verboten und damit stellte sich die Frage, ob das Abkommensrecht die Öffnung des Veranlagungswahlrechts auch für Nicht-EU-Bürger gebietet. Der BFH hat dies jetzt verneint. Im Wesentlichen beruht die Entscheidung darauf, dass das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot (Art. 24 Abs. 1 DBA-USA) voraussetzt, dass der US-Amerikaner sich mit der gedachten inländischen Vergleichsperson in "gleichen" – rechtlichen wie tatsächlichen – "Verhältnissen" befindet. Davon kann aber insbesonder...