Leitsatz
Die nachträgliche Erweiterung des zuvor betragsmäßig begrenzten Antrags des Unterhaltsleistenden auf Durchführung des Realsplittings mit entsprechend geänderter Zustimmungserklärung des Unterhaltsempfängers stellt ein rückwirkendes Ereignis dar, das die Bestandskraft bereits ergangener Steuerbescheide durchbricht.
Sachverhalt
Der in zweiter Ehe verheiratete Kläger beantragt für die Jahre 1995 bis 1998 Unterhaltszahlungen in Höhe von 27.000 DM jährlich, anstatt bisher 12.000 DM jährlich, als Sonderausgaben anzuerkennen und die Steuerbescheide dieser Jahre nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO entsprechend zu ändern. Er hat geänderte Anlagen U mit einer Zustimmungserklärung seiner ersten Ehefrau und entsprechende Nachweise vorgelegt. Unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 22. 9. 1999 (XI R 121/96) vertritt das Finanzamt die Auffassung, dass die Erhöhung eines begrenzten Antrags zum Realsplitting nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllt.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG sind die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 1998 nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern, da die nachträgliche Erweiterung des Antrages des Unterhaltsleistenden auf Durchführung des Realsplittings mit Zustimmung der Unterhalts- empfängerin ein rückwirkendes Ereignis i. S. von § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO darstellt und § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG einer Erweiterung nicht entgegensteht. Nach dem Urteil des BFH vom 12. 7. 1989 (X R 8/84) ist ein rückwirkendes Ereignis i. S. des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO anzunehmen, wenn nach der Unanfechtbarkeit eines Einkommensteuerbescheides die Zustimmung zur Anwendung des Realsplittings erteilt oder der Antrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG gestellt wird. Dies beruht auf der Überlegung, dass Unterhaltsaufwendungen nach § 12 Nr. 2 EStG steuerlich nicht abzugsfähig sind. Erst durch den Antrag des Leistenden und die Zustimmung des Leistungsempfängers werden sie nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG nachträglich zu Sonderausgaben umqualifiziert. Nach den Regelungen in § 10 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2 und 4 EStG kann der Antrag auf Durchführung des Realsplittings zwar nicht zurückgenommen und die Zustimmung nur vor Beginn des betroffenen Kalenderjahres widerrufen werden. Der Wortlaut der Vorschrift enthält jedoch kein Verbot der nachträglichen Erweiterung des Antrags des Unterhaltsleistenden auf Berücksichtigung weiterer Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben.
Hinweis
Die Zulassung der Revision, welche inzwischen beim BFH unter dem Az. XI R 32/05 anhängig ist, erfolgte gemäß § 115 Abs 2 Nr. 2 FGO, weil dies zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist. In gleich gelagerten Fällen sollten Betroffene daher Einspruch einlegen und unter Hinweis auf das o.a. Revisionsverfahren das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO beantragen.
Link zur Entscheidung
FG Düsseldorf, Urteil vom 28.06.2005, 17 K 6808/02 E