Leitsatz
Aufwendungen eines angestellten Geschäftsführers zur Tilgung von Haftungsschulden sind auch insoweit als Werbungskosten bei dessen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar, als die Haftung auf nicht abgeführter Lohnsteuer beruht, die auf den Arbeitslohn des Geschäftsführers entfällt. Das Abzugsverbot gemäß § 12 Nr. 3 EStG steht dem nicht entgegen.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 12 Nr. 3, § 38 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 42d Abs. 3 Satz 4, § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG, § 3 Abs. 1, § 34, § 43, § 69 AO, § 40 Abs. 2, § 68 Satz 1, § 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1, § 127 FGO
Sachverhalt
Die Klägerin, Gesellschafterin und Geschäftsführerin einer GmbH, bezog von dieser für ihre Geschäftsführertätigkeit Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Sie wurde vom FA mit einem auf die §§ 69, 34 AO gestützten Haftungsbescheid für von der GmbH für verschiedene Voranmeldungszeiträume im Jahr 2013 angemeldete, aber nicht abgeführte Lohnsteuern und Nebenabgaben in Anspruch genommen. Auf die Haftungsschulden, denen teilweise auch Forderungen gegen die GmbH zugrunde lagen, die dadurch entstanden waren, dass die GmbH angemeldete LSt, die auf den Arbeitslohn der Klägerin selbst entfielen, nicht abgeführt hatte, entrichtete die Klägerin in den Streitjahren (2014 und 2015) Teilbeträge.
Diese machte sie als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend. Das FA lehnte den Werbungskostenabzug ab.
Während des Klageverfahrens hat das FA geänderte ESt-Bescheide für die Streitjahre erlassen und darin die Teilleistungen der Klägerin auf die Haftungsschulden – wenn auch nur insoweit als Werbungskosten – anerkannt, als diese auf von der GmbH nicht abgeführte LSt Dritter entfielen. Die auf den vollständigen Werbungskostenabzug gerichtete Klage hatte Erfolg. Das FG ließ die Zahlungen der Klägerin auf die Haftungsschulden auch insoweit zum Werbungskostenabzug zu, als die Klägerin für rückständige LSt in Haftung genommen worden ist, die sie selbst als Arbeitnehmerin der GmbH betroffen hat (Hessisches FG, Urteil vom 19.11.2019, 6 K 360/18, Haufe-Index 13628807, EFG 2020, 346).
Entscheidung
Die Revision des FA hat der BFH zurückgewiesen.
Hinweis
1. Bei den fraglichen Aufwendungen der Klägerin zur Tilgung ihrer Haftungsschulden handelt es sich um Werbungskosten i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG.
a) Denn die Haftungsinanspruchnahme beruhte auf Pflichtverletzungen, die der Klägerin aufgrund ihrer nichtselbstständigen Tätigkeit als angestellte Geschäftsführerin der GmbH zur Last gelegt wurden. Als Geschäftsführerin der GmbH hatte sie dafür Sorge zu tragen, dass die GmbH ihre steuerlichen Pflichten erfüllte, insbesondere die einbehaltenen LSt abführte und die entsprechenden Nebenabgaben entrichtete. Diesen beruflichen Pflichten ist die Klägerin nicht hinreichend nachgekommen.
b) Die Inhaftungnahme der Klägerin stand hiernach in wirtschaftlichem Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit als angestellte Geschäftsführerin der GmbH. Das "auslösende Moment" für die von der Klägerin auf die Haftungsschulden getätigten Aufwendungen lag folglich im Bereich der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre. Die Aufwendungen standen damit in objektivem Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung. Sie dienten auch subjektiv der beruflichen Tätigkeit der Klägerin, da diese mit den Aufwendungen Schulden tilgen wollte, die sie als angestellte Geschäftsführerin der GmbH verursacht hatte.
c) Der hiernach bestehende erwerbsbezogene Veranlassungszusammenhang wurde nicht durch private Umstände aufgehoben. Ein erwerbsbezogener Veranlassungszusammenhang kann nach der ständigen Rechtsprechung des BFH insbesondere aufgehoben werden, wenn der Arbeitnehmer strafbare Handlungen begeht, die mit seiner Erwerbstätigkeit nur insoweit im Zusammenhang stehen, als diese eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft, er seinen Arbeitgeber bewusst schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert hat. Dahingehendes hat das FG jedoch nicht festgestellt.
d) Die berufliche Veranlassung der Aufwendungen wird schließlich nicht dadurch infrage gestellt, dass die Klägerin nicht nur Geschäftsführerin, sondern auch Gesellschafterin der GmbH war. Eine steuerlich relevante (Mit-)Veranlassung der Aufwendungen durch das Gesellschaftsverhältnis ist nicht gegeben, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer nicht aufgrund seiner Stellung als Gesellschafter, sondern gemäß §§ 69, 34 AO als (angestellter) Geschäftsführer in Anspruch genommen wird und darauf beruhende Haftungsschulden tilgt.
2. Das FG hat ferner zutreffend entschieden, dass das Abzugsverbot in § 12 Nr. 3 EStG der Berücksichtigung der Werbungskosten im Streitfall nicht entgegensteht.
a) Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 12 Nr. 3 EStG schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht erfüllt. Denn es geht weder um den Abzug von (nachgeforderter) ESt oder LSt (als besonderer Erhebungsform der ESt gemäß § 38 Abs. 1 EStG) noch um den Abzug d...