Dr. Gerlind Wendt, Michael Wendt
Leitsatz
Die vom Großen Senat des BFH aufgestellten Grundsätze über die Erbauseinandersetzung eines sog. Mischnachlasses mit der Möglichkeit einer gewinnneutralen Realteilung können nicht auf die Aufteilung gemeinschaftlichen Vermögens bei Beendigung einer ehelichen Zugewinngemeinschaft unter Lebenden angewandt werden.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 EStG , § 16 Abs. 1 EStG , § 16 Abs. 2 EStG
Sachverhalt
Ein Ehepaar, das im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hatte, setzte sich durch eine kurz vor der Scheidung im März geschlossene Vereinbarung über sein Vermögen auseinander. Die Ehefrau schied rückwirkend auf den 31. Dezember des Vorjahres aus einer von beiden Ehegatten gebildeten GbR aus (die GbR erzielte aus der Überlassung ihres Betriebs an eine GmbH des Ehemanns gewerbliche Einkünfte). Der Ehemann verpflichtete sich zur Freistellung der Ehefrau von allen Verbindlichkeiten der GbR. Außerdem übertrug er der Ehefrau seinen Miteigentumsanteil am bisher gemeinsam bewohnten Einfamilienhaus, wofür er seinerseits von den Verbindlichkeiten in Bezug auf das Grundstück freigestellt wurde. Der Ehemann musste schließlich noch 45000 DM an die Ehefrau zahlen. Damit sollten alle Zugewinnausgleichsansprüche erledigt sein.
Das FA war der Auffassung, die Ehefrau habe ihren Anteil an der GbR an den Ehemann veräußert und erfasste einen entsprechenden Gewinn in der Gewinnfeststellung für die GbR. Mit ihrer dagegen erhobenen Klage hatte die Ehefrau vor dem FG Erfolg. Das FG ging davon aus, die Ehegatten hätten ihr Vermögen im Rahmen einer Realteilung ohne Spitzenausgleich geteilt. Deshalb sei ein Gewinn bei der Übertragung des Anteils an der GbR nicht entstanden.
Entscheidung
Der BFH war anderer Meinung. Die Ehefrau habe ihren Anteil entgeltlich an den Ehemann veräußert. Dessen Gegenleistung sei die Übertragung des Miteigentumsanteils am Einfamilienhausgrundstück gewesen.
Zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns sei von der Gegenleistung des Ehemanns das Kapitalkonto der Ehefrau in der GbR abzuziehen. Die Freistellung von den Verbindlichkeiten der Gesellschaft erhöhe nicht die Gegenleistung des Ehemanns, denn die Verbindlichkeiten hätten das Kapitalkonto bereits gemindert. Eine abschließende Ermittlung des Gewinns müsse das FG noch durchführen, weil u.a. die Übernahme eines Bausparvertrags durch den Ehemann noch nicht richtig berücksichtigt worden sei.
Hinweis
1. Mit dem Begriff der Realteilung bezeichnet man Vorgänge, in denen mehrere Personen ein ihnen gemeinschaftlich zuzuordnendes Vermögen untereinander dadurch aufteilen, dass jeder Beteiligte einzelne Gegenstände des Vermögens erhält. Ertragsteuerlich wäre nach allgemeinen Grundsätzen jede Zuordnung eines solchen Gegenstands als ein Tauschgeschäft anzusehen: der Zuordnungsempfänger erhält den Gegenstand und wendet dafür seine Anteile an den Gegenständen auf, die anderen Beteiligten zugewiesen werden. Der Zuordnungsempfänger hätte dann Anschaffungskosten, die übrigen Beteiligten erzielten einen Veräußerungserlös. Dieses Ergebnis vermeidet die steuerliche Realteilung, indem sie die betreffenden Veräußerungs- und Anschaffungsvorgänge ausblendet.
Praktische Bedeutung hat dies insbesondere bei der Auseinandersetzung einer Personengesellschaft, für die erstmals mit dem StEntlG 1999/2000/2002 eine gesetzliche Regelung geschaffen wurde (§ 16 Abs. 3 EStG). Der BFH hat darüber hinaus auch die Aufteilung eines Nachlasses unter den Miterben nach diesen Kriterien beurteilt (Beschluss des Großen Senats vom 5.7.1990, GrS 2/98, BStBl II 1990, 837).
2. Als damit vergleichbar hatte im Besprechungsfall das FG die Vermögensauseinandersetzung im Rahmen der Scheidung angesehen. Dem widerspricht der BFH jedenfalls für den Fall, dass die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben. Nach Meinung des BFH ist eine steuerliche Realteilung nur gerechtfertigt, wenn das aufzuteilende Vermögen den Beteiligten zuvor als Gesamthänder zugestanden hat. Das aber ist bei der Zugewinngemeinschaft nicht der Fall, denn dort erwirbt jeder Ehegatte nur eigenes Vermögen und ist lediglich verpflichtet, den höheren Zugewinn auszugleichen.
Eine umfassende Realteilung zwischen Ehegatten kommt deshalb nur im Fall der Gütergemeinschaft in Betracht. Außerdem können natürlich auch von den Ehegatten gebildete Personengesellschaften real geteilt werden. Konsequenz daraus ist, dass bei scheidungsbedingter Aufteilung des Vermögens von Ehegatten im gesetzlichen Güterstand Steuerfolgen mit einkalkuliert werden müssen.
3. Nicht im Leitsatz angesprochen ist eine weitere wichtige Aussage des Urteils: eine Vereinbarung über die scheidungsbedingte Vermögensauseinandersetzung wird auch noch mit dreimonatiger Rückwirkung steuerlich anerkannt. Im Einzelfall kann sogar eine Rückwirkung von sechs Monaten oder mehr anzuerkennen sein.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.3.2002, IV R 1/01