Leitsatz
1. Nach dem Grundsatz der Individualbesteuerung hat sich die Überschussprognose auch bei unentgeltlicher Übertragung einer Einkunftsquelle (hier: Kapitalanlage) regelmäßig an der Nutzung des Vermögensgegenstandes durch den Steuerpflichtigen zu orientieren. Nur ausnahmsweise kann auch die Nutzung durch einen (unentgeltlichen) Rechtsnachfolger berücksichtigt werden.
2. Eine solche Ausnahmekonstellation liegt nicht vor, wenn bereits bei Eingehung des Investments geplant ist, die Einkunftsquelle vor dem Eintreten positiver Einkünfte unentgeltlich auf einen im niedrig besteuerten Ausland ansässigen Rechtsnachfolger zu übertragen.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 AStG; § 2 Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Der unbeschränkt steuerpflichtige Kläger errichtete Ende 2006 eine ausländische Stiftung (S); er stellte ihr ein Darlehen zu einem Zinssatz von 6,65 % zur Verfügung. S beteiligte sich daraufhin mit einer Kommanditeinlage an der ebenfalls im Jahr 2006 gegründeten (vermögensverwaltenden, nicht gewerblich geprägten) inländischen X GmbH & Co. KG (KG). Die beiden weiteren Kommanditisten (N und K) waren jeweils mit einer Einlage von 10 EUR beteiligt; Komplementärin wurde die X GmbH ohne Kapitalanteil.
Ende 2006 erwarb die KG von der M Bank (M) emittierte Schuldverschreibungen (Laufzeit: 10 Jahre; Zinssatz: 3,33 % bei nachschüssiger Fälligkeit; fixer und variabler Bonuszins fällig am Laufzeitende). Zur Finanzierung des Erwerbs der Wertpapiere nahm die KG bei M ein Darlehen auf (Zinssatz: 3,1337334 % mit jährlich vorschüssiger Zahlungsweise; Disagio von 5 %; Zinsvorauszahlung im Erstjahr 2006).
Ende 2007 erwarb die KG von der L-Bank (L) emittierte Schuldverschreibungen (Laufzeit: 10 Jahre; Zinssatz: 4 % mit vorschüssiger Zahlung ab dem Zweitjahr; variabler Bonuszins). Zum Rückzahlungszeitpunkt war ein einmaliger Betrag zu leisten. Zur Finanzierung des Erwerbs nahm die KG bei L ein Darlehen auf (Zinssatz: 3,8 % mit jährlich vorschüssiger Zahlungsweise; Disagio von 5 %; Zinsvorauszahlung im Erstjahr).
Im November 2008 wurde die ausländische C Ltd. (C) errichtet. S ist alleinige Gesellschafterin der C und übertrug mit "Einbringungsvertrag im Rahmen einer verdeckten Einlage" im Dezember 2008 ihre Kommanditbeteiligung an der KG unentgeltlich mit Wirkung zum 31.12.2008 auf C.
Die KG gab in ihren Feststellungserklärungen für die Streitjahre (2007 und 2008) negative Einkünfte aus Kapitalvermögen an, die vom FA unberücksichtigt blieben. In seinen Einkommensteuererklärungen machte der Kläger jeweils ein negatives Einkommen aus der S in der genannten Höhe gemäß § 15 Abs. 1 AStG geltend. In den Einkommensteuerbescheiden wurde unter Verweis auf die die KG betreffenden Feststellungsverfahren kein negatives Einkommen aus der S angesetzt.
Ergebnisprognosen für die Schuldverschreibungen:
Wertpapiere M: negatives Ergebnis 2006, für 2007 bis 2015 ebenfalls negative Ergebnisse, für 2016 ein positives Ergebnis und für 2017 ein negatives Ergebnis – gesamt: positives Ergebnis.
Wertpapiere L: negatives Ergebnis 2007, für 2008 bis 2015 jeweils ein Ergebnis von 0 EUR und für 2016 ein positives Ergebnis – gesamt: positives Ergebnis.
Außerdem erklärte der Kläger, es sei bereits im Jahr 2006 die Möglichkeit erwogen worden, die S als Gesellschafterin durch eine Gesellschaft mit Sitz in einem niedrig besteuerten Staat abzulösen. Ursprünglich sei die verdeckte Einlage für das Jahr 2012 beabsichtigt gewesen. Aufgrund der Einführung der Abgeltungsteuer sei die verdeckte Einlage dann aber tatsächlich im Jahr 2008 getätigt worden.
Das FG wies die Klage ab (FG Bremen, Urteil vom 11.11.2015, 1 K 91/13 [5], Haufe-Index 8804859, EFG 2016, 182).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Wer Anschauungsmaterial für die künftige "Anzeigepflicht für Steuergestaltungen" (§ 138d AO-Entwurf) sucht, wird hier fündig: Es geht in der Sache um das sog. Disagio-Modell (dazu z.B. Dornheim, DStZ 2013, 306). Und das geht so: Einem fremdfinanzierten Erwerb von Schuldverschreibungen durch eine inländische vermögensverwaltende GmbH & Co. KG (Hauptgesellschafter: z.B. eine liechtensteinische Familienstiftung mit einem inländischen Stifter) folgt nach der Verlustentstehung und vor dem Zufließen von steuerpflichtigen Erträgen die Übertragung der KG-Anteile auf eine Ltd. in einem Niedrigsteuerland. Zielpunkt ist damit ein kraft Zurechnung i.S.d. § 15 AStG hoher inländischer Verlust des Stifters (hohes Disagio!) und ein gering besteuerter ausländischer Ertrag.
Der BFH versagt dem diesem Modell ähnelnden Streitfall die steuersparende Wirkung, indem er die Einkünfteerzielungsabsicht der Stiftung ablehnt, sodass dem Kläger insoweit kein negatives Einkommen zugerechnet wird.
Da dies in der Entscheidungsform des Beschlusses i.S.d. § 126a FGO erfolgt, ist dem Fachkundigen klar: Da waren alle Senatsmitglieder einer Meinung!
2. Die Zurechnung von Einkommen einer ausländischen Familienstiftung (§ 15 Abs. 2 AStG) setzt voraus, dass die Familienstiftung ein ent...