Leitsatz

Erwirbt ein Miterbe bei der Erbauseinandersetzung einen zum Nachlass gehörenden Anteil an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft und führt dieser Erwerb nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG zu einer Vereinigung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft, ist die Anteilsvereinigung nicht nach § 3 Nr. 3 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 3 Nr. 1, § 3 Nrn. 2 und 3, § 13 Nr. 5 Buchst. a, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG, § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger und seine Schwester (S) waren je zur Hälfte Miterben ihrer Ende 2000 verstorbenen Mutter (M). Zum Nachlass der M gehörten ein Kommanditanteil an der A‐KG und ein Geschäftsanteil an deren vermögensmäßig nicht beteiligter Komplementärin, der B‐GmbH. Mit Vertrag vom 8.6.2001 vereinbarten der Kläger und S die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft in der Weise, dass der Kläger die Gesellschaftsbeteiligungen und S im Wesentlichen den restlichen Nachlass erhielt. Nach der Erbauseinandersetzung vom 8.6.2001 über den Nachlass der M war der Kläger alleiniger Kommanditist der A‐KG und alleiniger Gesellschafter der B‐GmbH.

Der Auseinandersetzungsvertrag vom 8.6.2001 wurde vom Notar an die für die A‐KG zuständige Veranlagungsstelle mit dem Vermerk "im Erbschaft‐ bzw. Schenkungsteuerinteresse" übersandt. Eine Mitteilung an die Grunderwerbsteuerstelle erfolgte nicht.

Nach einer Prüfungsmitteilung ging das FA davon aus, dass der Vertrag vom 8.6.2001 beim Kläger zu einer Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG) geführt habe. Der Kläger sei zu 10 % unmittelbar und zu 90 % mittelbar über die A‐KG an der grundbesitzenden G‐GmbH beteiligt. Das FA setzte gegen den Kläger durch Bescheid vom 27.6.2007 Grunderwerbsteuer fest, ohne die Steuerbefreiungen nach § 3 Nrn. 2 und 3 GrEStG zu berücksichtigen.

Das FG sah hingegen die Steuerbefreiungen nach § 3 Nrn. 2 und 3 GrEStG als erfüllt an und gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt (FG Köln, Urteil vom 25.9.2013, 5 K 3747/09, Haufe-Index 6528230, EFG 2014, 568).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG aus den dargestellten Gründen verneint und die Klage unter Aufhebung des FG-Urteils abgewiesen. Dem angefochtenen Steuerbescheid stand Festsetzungsverjährung nicht entgegen. Der Anlauf der Festsetzungsfrist war gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehemmt, weil der Kläger den Erbauseinandersetzungsvertrag entgegen § 19 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 13 Nr. 5 Buchst. a GrEStG nicht angezeigt hatte und die Anzeige des Notars, weil nicht an die Grunderwerbsteuerstelle gerichtet, den gesetzlichen Anforderungen einer ordnungsgemäßen Anzeige nicht genügte.

 

Hinweis

Nach § 3 Nr. 3 GrEStG ist ein Grundstückserwerb zur Teilung eines Nachlasses grunderwerbsteuerfrei. Die Vorschrift ist in erster Linie auf den Erwerb von Nachlassgrundstücken durch Miterben zugeschnitten. Im Urteilsfall war fraglich, ob diese Befreiungsregelung auch auf eine im Zuge der Erbauseinandersetzung durch Übertragung der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft herbeigeführte Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG) anwendbar ist. Dies hat der BFH verneint.

1. Die Anwendung des § 3 Nr. 3 GrEStG auf die Anteilsvereinigung bei einer Kapitalgesellschaft bereitet schon deshalb konstruktive Probleme, weil § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG einen "Erwerb" des Grundstücks von der Kapitalgesellschaft – und nicht, wie von § 3 Nr. 3 GrEStG vorausgesetzt, von der Erbengemeinschaft – fingiert. Auch zivilrechtlich beruht die Anteilsvereinigung nicht auf einem Grundstückserwerb, sondern auf einem Anteilserwerb von der Erbengemeinschaft.

2. Als "Rettungsanker" für die Anwendung des § 3 Nr. 3 GrEStG käme allenfalls eine Parallele zu § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG in Betracht, weil die durch eine schenkweise Anteilsübertragung bewirkte Anteilsvereinigung grunderwerbsteuerbefreit ist. Für die Anwendbarkeit des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG auf eine Anteilsvereinigung ist jedoch entscheidend, dass damit die doppelte Belastung nur eines Lebensvorgangs (d.h. die freigebige Zuwendung eines Gesellschaftsanteils) mit Grunderwerb- bzw. Erbschaft- oder Schenkungsteuer vermieden werden soll. Eine vergleichbare Zielsetzung liegt dem § 3 Nr. 3 GrEStG jedoch nicht zugrunde.

3. Das Besprechungsurteil enthält keine Aussage dazu, ob ein zur Anteilsvereinigung bei einer Personengesellschaft führender Erwerb von Gesellschaftsanteilen aufgrund einer Erbauseinandersetzung nach § 3 Nr. 3 GrEStG befreit ist. Diese Frage ist umstritten, dürfte jedoch wegen der – anders als bei Kapitalgesellschaften – bei Personengesellschaften gebotenen Berücksichtigung von persönlichen Eigenschaften der Gesellschafter zu bejahen sein.

In jedem Fall ist eine Anteilsübertragung (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 GrEStG) nach § 3 Nr. 3 GrEStG steuerfrei, wenn die Übertragung von mindestens 95 % der Anteile einer grundbesitzenden Personen- oder Kapitalgesellschaft im Zuge einer Erbauseinandersetzung erfolgt.

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