Leitsatz
1. Die einem Arbeitnehmer gewährte Prämie für einen Verbesserungsvorschlag stellt keine Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit dar, wenn sie nicht nach dem Zeitaufwand des Arbeitnehmers, sondern ausschließlich nach der Kostenersparnis des Arbeitgebers in einem bestimmten künftigen Zeitraum berechnet wird (Bestätigung des Senatsurteils vom 16. Dezember 1996 VI R 51/96, BFHE 182, 161, BStBl II 1997, 222).
2. Versorgungsleistungen aus einer Pensionszusage, die an die Stelle einer in einem vergangenen Jahr erdienten variablen Vergütung (Bonus) treten, sind keine Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit.
Normenkette
§ 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG
Sachverhalt
Der Kläger bezog im Streitjahr (2008) u.a. Versorgungsleistungen aus einer arbeitnehmerfinanzierten Zusage und den zweiten Teil einer Prämie für einen Verbesserungsvorschlag aus dem Jahr 1994. Die Auszahlung der Versorgungsleistungen resultierte aus einem Angebot der Arbeitgeberin, ab dem Geschäftsjahr 1998/1999 den jährlichen Bonus oder einen Teil hiervon in eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung einzubringen. Davon machte der Kläger Gebrauch. 2006 trat er in den Ruhestand.
Entsprechend der Wahl des Klägers, die Versorgungsleistungen von 2007 bis 2013, d.h. über mehrere Jahre gestaffelt, ausgezahlt zu bekommen, unterwarf die Arbeitgeberin das Vorsorgekapital – ohne Anwendung der Fünftelregelung gemäß § 34 EStG – der Lohnversteuerung.
Die Auszahlung des zweiten Teils der Prämie beruhte auf der Ungewissheit, ob der Verbesserungsvorschlag einer rechtlichen Prüfung standhalten würde. Deshalb waren der Kläger und seine Arbeitgeberin 1995 übereingekommen, die Zahlung des zweiten Teils der auf ... % der Kostenersparnis der Arbeitgeberin bemessenen Prämie bis zur Klärung sämtlicher Rechtsfragen durch die Sozialversicherung auszusetzen.
Das FA setzte die Einkommensteuer dahin gehend ebenfalls ohne Anwendung der Fünftelregelung fest. Die Klage war insoweit erfolgreich, als das FG die Voraussetzungen des § 34 EStG in Bezug auf den streitigen Vorsorgeplan als gegeben ansah (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 8.11.2013, 10 K 83/12).
Entscheidung
Auf die Revision des FA hob der BFH das angefochtene Urteil, soweit der Klage stattgegeben wurde, auf und wies die Klage aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen ab. Die Revision des Klägers wies der BFH als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Als ermäßigt zu besteuernde außerordentliche Einkünfte kommen insbesondere Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 1. Halbsatz EStG). Nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 2. Halbsatz EStG ist eine Tätigkeit mehrjährig, soweit sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst.
Allerdings reicht es nicht aus, dass der Arbeitslohn in einem anderen Veranlagungszeitraum als dem zufließt, zu dem er wirtschaftlich gehört, und dort mit weiteren Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zusammentrifft.
Die Entlohnung muss vielmehr für sich betrachtet zweckbestimmtes Entgelt für eine mehrjährige Tätigkeit sein, die Vergütung folglich für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten und veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden (z.B. BFH, Urteil vom 7.5.2015, VI R 44/13, BFH/NV 2015, 1465 und BFH, Urteil vom 7.8.2014, VI R 57/12, BFH/NV 2015, 181; R 34.4 Abs. 2 EStR).
2. Darüber hinaus muss die Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen in zusammengeballter Form erfolgen (BFH, Urteil vom 7.5.2015, VI R 44/13, BFH/NV 2015, 1465).
3. Danach stellt die einem Arbeitnehmer gewährte Prämie für einen Verbesserungsvorschlag keine Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit dar, wenn sie nicht nach dem Zeitaufwand des Arbeitnehmers, sondern ausschließlich nach der Kostenersparnis des Arbeitgebers in einem bestimmten künftigen Zeitraum berechnet wird (BFH, Urteil vom 16.12.1996, VI R 51/96, BFH/NV 1997, 172).
4. Die dem Kläger ausgezahlten Versorgungsleistungen sind ebenfalls nicht ermäßigt nach § 34 Abs. 1 EStG zu besteuern.
a) Geht man – wie das FG – von jährlich gesondert zu betrachtenden und rechtlich selbstständigen Einzelvereinbarungen über die Umwandlung eines erdienten Anspruchs auf Bonuszahlung in einen Anspruch auf spätere wertgleiche Versorgungsleistung aus, fehlt ein veranlagungszeitraumübergreifendes Geschehen und folglich eine Vergütung für eine "mehrjährige" Tätigkeit. Denn in diesem Fall sind die Versorgungsleistungen an die Stelle der variablen Vergütung (Bonus) getreten. Mit der späteren Auszahlung des Vorsorgekapitals im Versorgungsfall wird lediglich der zurückgehaltene Lohn und somit das für die Vergangenheit innerhalb eines Jahres Erdiente ausbezahlt.
b) Würdigt man das Angebot der Arbeitgeberin hingegen als eine einheitlich konzipierte und zu beurteilende Gesamtversorgung, im Rahmen derer nur die Erhöhung der Versorgungsleistungen bzw. die Einzahlungsmodalitäten jährlich neu festgelegt werden, so fehlt es an einem zusammengeballten Zufluss des Vorsorgekapi...