Leitsatz (amtlich)
1. Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH haftet der Kommanditgesellschaft unabhängig vom Bestehen eines Dienstverhältnisses zumindest dann allein aufgrund der drittschützenden Wirkung seiner Organstellung entsprechend § 43 Abs. 2 GmbHG, wenn die alleinige oder wesentliche Aufgabe der Komplementär-GmbH darin besteht, die Geschäfte der Kommanditgesellschaft zu führen.
2. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Kommanditgesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH bedarf keines vorherigen Beschlusses der Gesellschafter nach § 46 Nr. 8 GmbHG.
3. Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH verletzt die von ihm gem. § 43 Abs. 1 GmbHG zu beachtende Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, wenn er trotz zuvor im Zusammenhang mit der Erstellung eines Emissionsprospekts erfolgter mündlicher Beauftragung einer Rechtsanwaltssozietät nach Erbringung der beauftragten anwaltlichen Leistungen Honorarvereinbarungen schließt, die die Kommanditgesellschaft zur Zahlung von 375.000 EUR und 150.000 EUR an die Rechtsanwaltssozietät verpflichten, ohne zuvor (Rechts-)Rat darüber einzuholen, ob die Kommanditgesellschaft zum - nachträglichen - Abschluss der Honorarvereinbarungen verpflichtet ist und ihr aus der Höhe der vereinbarten Honorare ein wirtschaftlicher Nachteil, ggf. in welcher Höhe, erwächst.
4. Die Gesellschaft genügt der ihr im Hinblick auf § 43 Abs. 2 GmbHG obliegenden Darlegungs- und Beweislast bereits dann, wenn sie ein "möglicherweise pflichtwidriges" Verhalten des Geschäftsführers dartut und im Bestreitensfalle beweist. Demgegenüber hat der Geschäftsführer Umstände darzutun und im Bestreitensfalle zu beweisen, dass das schadensauslösende Verhalten nicht pflichtwidrig gewesen ist oder ihn zumindest kein Schuldvorwurf hinsichtlich der Pflichtverletzung trifft. Diese Grundsätze gelten auch für einen ausgeschiedenen Gesellschafter.
5. Eine Haftung des Geschäftsführers entfällt, wenn sein Handeln auf einer Weisung der Gesellschafter beruht oder von diesen gebilligt worden ist. Dies gilt aber nur dann, wenn der Geschäftsführer den Gesellschaftern vor deren Weisung oder Billigung die Tatsachengrundlage für die zu treffende Entscheidung ausreichend vermittelt, ausreichend über Risiken oder sonstige Bedenken hinsichtlich der betroffenen Maßnahme informiert und eine pflichtwidrige Beeinflussung der Willensbildung unterlassen hat.
6. Im Falle des ohne vorherigen (Rechts-)Rat erfolgten Abschlusses einer Honorarvereinbarung für bereits erbrachte anwaltliche Leistungen durch den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH zu Lasten der Kommanditgesellschaft bemisst sich der letzterer entstandene Schaden aus der Differenz zwischen den vereinbarten und gezahlten Honoraren sowie den für die honorierten anwaltlichen Leistungen bereits angefallenen gesetzlichen Höchstgebühren. Die Gesellschaft hat den Schaden darzutun und zu beweisen; dabei kommen ihr über § 287 ZPO Darlegungs- und Beweiserleichterungen zu Gute.
7. Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer Kommanditgesellschaft handelt pflichtwidrig, wenn er einen zwischen der Kommanditgesellschaft und einer weiteren Gesellschaft bestehenden Produktionsdienstleistungsvertrag durch eine nachträgliche Kooperationsvereinbarung zum Nachteil der Kommanditgesellschaft abändert, ohne zuvor durch Einholung von (Rechts-)Rat zu klären, ob eine Rechtspflicht zum Abschluss der nachträglichen Vereinbarung besteht und welche rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteile damit für die Kommanditgesellschaft verbunden sind. Verstösst der Abschluss der nachträglichen Vereinbarung durch den Geschäftsführer - auch - gegen die Satzung der Gesellschaft, muss nicht die Gesellschaft den behaupteten Schaden dartun und beweisen, sondern trägt der Geschäftsführer die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der von der Gesellschaft behauptete Schaden nicht eingetreten ist.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 18.06.2010; Aktenzeichen 100 O 127/08) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 18.6.2010 verkündete Urteil des LG Berlin - 100 O 127/08 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 374.130 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.2.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Klägerin 29 % und der Beklagte 71 % zu tragen. Die Kosten der Berufungsinstanz hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10 % leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, bei der es sich um eine im Jahre 2004 gegründete Beteiligungsgesellschaft handelt, mac...