Leitsatz

Leitsätze* 1. Besteht nur für einen Teil des Kalenderjahrs eine unbeschränkte Steuerpflicht, so wird ein Kinderfreibetrag nur für diesen Teil gewährt.

2. Die im restlichen Teil des Kalenderjahrs in Schweden erzielten Einkünfte unterliegen dem Progressionsvorbehalt. Sie sind in die Günstigerprüfung nach § 31 Satz 4 EStG einzubeziehen.

*Leitsätze nicht amtlich

 

Normenkette

§ 31 EStG , § 32 Abs. 6 EStG , § 32a Abs. 1 EStG , § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG , § 36 Abs. 2 EStG , § 49 EStG , § 50 Abs. 1 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger erhielt im Streitjahr 1996 für seine beiden in Schweden lebenden Kinder Kindergeld vom schwedischen Staat (je 152 DM monatlich). Er arbeitete in Deutschland bis zum 10.5.1996 als freiberuflicher Ingenieur (Einkünfte: 75.087 DM). Anschließend war er als Arbeitnehmer in Schweden tätig (Einkünfte: 39.295 DM).

Bei der Einkommensteuerveranlagung 1996 unterwarf das FA die in Schweden bezogenen Einkünfte dem Progressionsvorbehalt. Ferner berücksichtigte es zwei volle Kinderfreibeträge (12528 DM) gem. § 32 Abs. 6 EStG und rechnete bei der Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer Kindergeld bzw. vergleichbare Leistungen in Höhe von insgesamt 4.800 DM (zweimal 2.400 DM) gem. § 36 Abs. 2 EStG hinzu. Das FG gab der Klage teilweise statt. Die Kinderfreibeträge seien für das ganze Jahr zu gewähren (EFG 2002, 410).

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil auf. Die unbeschränkte Steuerpflicht habe nicht während des ganzen Jahrs bestanden; die in Schweden erzielten Einkünfte unterlägen dem Progressionsvorbehalt (BFH, Urteil vom 15.5.2002, I R 40/01, BFH-PR 2002, 408).

Bei der Ermittlung des Kinderfreibetrags unter Berücksichtigung der Günstigerrechnung sei jedoch nur die Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht zu berücksichtigen. Das beruhe einerseits auf dem für das Kindergeld maßgeblichen Monatsprinzip und andererseits darauf, dass bei beschränkter Steuerpflicht im Inland Kindergeld nicht gezahlt werde. Das in Schweden gezahlte Kindergeld sei anteilig der ESt hinzuzurechnen (§ 36 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 31 Satz 5 EStG).

 

Hinweis

Der Fall betrifft zwar die Ermittlung des Kinderfreibetrags nach § 32 Abs. 6 EStG bei teils beschränkter, teils unbeschränkter Steuerpflicht eines in Deutschland tätigen Elternteils; die Lösung kann aber für das Kindergeld nicht anders ausfallen (§§ 71, 66 Abs. 2 EStG). Ob der Freibetrag zu gewähren ist oder ob es bei dem gezahlten Kindergeld bleibt, ist durch die Günstigerprüfung nach § 31 Satz 4 EStG festzustellen; das gilt auch für ein im Ausland gezahltes Kindergeld (vgl. BFH, Urteil vom 13.8.2002, VIII R 53/01, BFH-PR 2003, 10).

Der BFH hatte sich bereits im Rahmen dieser Günstigerprüfung mit der Frage zu befassen, ob insoweit das Monatsprinzip oder das für die Einkommensteuerveranlagung geltende Jahresprinzip anzuwenden ist (BFH, Urteil vom 16.12.2002, VIII R 65/99, BFH-PR 2003, 141); er hat sich für das – in diesem Fall für den Steuerpflichtigen günstigere – Monatsprinzip entschieden.

Damit ist die Lösung auch für den Streitfall vorgezeichnet: Der Steuerpflichtige erhält Kindergeld bzw. einen Kinderfreibetrag nur für die Monate, in denen er – zumindest einen Tag – unbeschränkt steuerpflichtig ist. Hier wirkt sich das Monatsprinzip allerdings für den Steuerpflichtigen negativ aus. Und das muss entsprechend auch für den Fall gelten, dass der Anspruch des Kindergeldberechtigten nach der – wegen der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit des Klägers hier nicht einschlägigen – EWG-VO 1408/71 zu beurteilen ist (zur Günstigerprüfung in diesem Fall vgl. BFH, Urteil vom 13.8.2002, VIII R 53/01, BFH-PR 2003,10).

Der BFH hat in der angeführten Entscheidung vom 16.12.2002, VIII R 65/99 ausgeführt, dass der Gesetzgeber für den Kinderfreibetrag und das Kindergeld den Grundsatz, die Grundlagen für die Festsetzung der ESt seien jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln (§ 2 Abs. 7 Satz 2, § 25 Abs. 1, § 32a Abs. 1 Satz 1 EStG), durchbrochen habe. Der vorliegende Fall zeigt, dass es sich bei dieser "Durchbrechung" um einen den gesamten Familienleistungsausgleich beherrschenden Grundsatz handelt und dass das Jahresprinzip hier die Ausnahme bildet.

Das Jahresprinzip gilt nur dort, wo das Kindergeldrecht erkennbar auf dieses Prinzip verweist. Das ist insbesondere bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG der Fall (vgl. dazu u.a. BFH, Urteil vom 16.4.2002, VIII R 76/01, BFH-PR 2002, 299). Die Akzentuierung des Monatsprinzips hat aber auch verfahrensrechtliche Folgen. So wird man den Kindergeldbescheid künftig nicht mehr unter dem Gesichtspunkt eines "Dauerverwaltungsakts", sondern unter dem Gesichtspunkt eines "zusammengesetzten Verwaltungsakts" beurteilen müssen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.10.2003, VIII R 111/01

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