Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Zusammenfassung
Bei Kleinunternehmern, die bestimmte Umsatzgrenzen nicht überschreiten, wird die Umsatzsteuer für Ausgangsumsätze nicht erhoben, in Rechnungen darf keine Umsatzsteuer ausgewiesen werden. Im Gegenzug darf der Kleinunternehmer Umsatzsteuer für Leistungsbezüge auch nicht als Vorsteuer abziehen. Der Unternehmer kann jedoch auf die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung verzichten. Im Zuge der unionsrechtlichen Harmonisierung werden sich voraussichtlich zum 1.1.2025 erhebliche Änderungen ergeben. Die Frage der Besteuerung von Kleinunternehmern ist insbesondere im Zusammenhang mit der Einführung des sog. Nullsteuersatzes bei bestimmten Photovoltaikanlagen interessant geworden.
Die Kleinunternehmerbesteuerung ist in § 19 UStG geregelt. Die Finanzverwaltung hat ausführlich in Abschn. 19.1–19.5 UStAE dazu Stellung genommen. Aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben wird zum 1.1.2025 die Kleinunternehmerbesteuerung umfassend systematisch geändert. Darüber hinaus wird zum 1.1.2025 für EU-grenzüberschreitende Kleinunternehmersachverhalte in § 19a UStG ein besonderes Meldeverfahren eingeführt.
1 Anwendungsbereich
Die Unternehmereigenschaft ist grundsätzlich unabhängig vom Umfang der ausgeführten Umsätze. Das Umsatzsteuergesetz sieht aber für Unternehmer, die nur Umsätze in geringem Umfang ausführen, eine Erleichterung dahingehend vor, dass die für die ausgeführten Umsätze geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben wird. Der Kleinunternehmer darf in seiner Rechnung keine Umsatzsteuer gesondert ausweisen und ist darüber hinaus vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
Systematische Änderung wird zum 1.1.2025 erfolgen
Bis zum 31.12.2024 ist geregelt, dass die Umsatzsteuer für Umsätze von Kleinunternehmern nicht erhoben wird. Aufgrund unionsrechtlicher Anpassung wird zum 1.1.2025 eine systematische Änderung eintreten, nach der die Umsätze von Kleinunternehmern steuerfrei ausgeführt werden. Dies führt zu verschiedenen Folgeänderungen, z. B. beim Vorsteuerabzug und bei der Ausnahmeregelung für innergemeinschaftliche Erwerbe.
Diese Begünstigungsregelung kann jedoch dann für den Unternehmer zu einem Nachteil führen, wenn er seine Leistungen (überwiegend) an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer ausführt, die die Umsatzsteuer zusätzlich entrichten würden. Aus diesem Grund kann der Unternehmer auf die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung verzichten (Option zur Regelbesteuerung).
Kleinunternehmereigenschaft nur bei inländischen Unternehmern bis 31.12.2024
Kleinunternehmer nach § 19 UStG können bis 31.12.2024 nur inländische Unternehmer sein. Ausländische Unternehmer fallen nach den derzeitigen Regelungen nicht unter § 19 UStG. Entsprechend müssen sich deutsche Unternehmer, die die Kleinunternehmerbesteuerung in Deutschland anwenden, in anderen Staaten bis zum 31.12.2024 der dort geltenden Besteuerung in vollem Umfang unterwerfen. Allerdings gehen Umsätze, die in anderen Ländern ausgeführt werden, nicht in die Prüfung der maßgeblichen Umsatzgrenzen für die Kleinunternehmereigenschaft im Inland mit ein. Ab 2025 wird es auch die – wahlweise – Anwendung einer EU-grenzüberschreitenden Kleinunternehmerbesteuerung geben.
2 Voraussetzungen
Die Kleinunternehmerbesteuerung ist anzuwenden, wenn der Gesamtumsatz des Unternehmers im vorangegangenen Jahr nicht mehr als 22.000 EUR betragen hat und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht mehr als 50.000 EUR betragen wird. Zum 1.1.2025 soll die untere Grenze auf 25.000 EUR und die obere Grenze auf 100.000 EUR angehoben werden. Zur Prüfung dieser Umsatzgrenzen ist jeweils vom Gesamtumsatz i. S. v. § 19 Abs. 3 UStG (= Berechnungsgrundlage) auszugehen. Dabei ist stets der Gesamtumsatz nach vereinnahmten Entgelten ("Ist"-Besteuerung) zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer ("Brutto-Ist"-Gesamtumsatz) zugrunde zu legen.
Keine Berücksichtigung der Umsatzsteuer ab 2025
Bis 31.12.2024 berechnet sich der maßgebliche Umsatz nach § 19 Abs. 1 UStG "zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer". Aufgrund der unionsrechtlichen Harmonisierung wird ab dem 1.1.2025 auf den maßgeblichen Gesamtumsatz ohne eine Hinzurechnung einer Umsatzsteuer abgestellt.
Hat der Unternehmer im vorangegangenen Kalenderjahr die Umsatzgrenze von 22.000 EUR überschritten, liegen die Voraussetzungen des § 19 UStG im laufenden Kalenderjahr grundsätzlich nicht mehr vor. Ist die Umsatzgrenze von 22.000 EUR im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschritten worden, muss der Unternehmer nach der bis zum 31.12.2024 geltenden Regelung anhand einer Schätzung auf der Grundlage der zu Beginn des Kalenderjahrs maßgebenden Verhältnisse feststellen, ob er im laufenden Kalenderjahr die Grenze von 50.000 EUR überschreiten wird oder nicht.
Kein rückwirkender Wegfall...