Leitsatz
1. Die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer ist eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wenn das Fahrzeug, für dessen Halten die Kraftfahrzeugsteuer geschuldet wird, Teil der Insolvenzmasse ist (Anschluss an BFH-Urteile vom 13. April 2011 II R 49/09, BFHE 234, 97, BStBl II 2011, 944, und vom 8. September 2011 II R 54/10, BFHE 235, 1, BStBl II 2012, 149).
2. Ein Fahrzeug, das bereits vor Insolvenzeröffnung untergegangen ist, fällt nicht unter den Insolvenzbeschlag gemäß § 35 Abs. 1 InsO.
Normenkette
§ 55 Abs. 1 Nr. 1, § 35 Abs. 1 InsO, § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Nr. 1 KraftStG, § 34 Abs. 3 AO
Sachverhalt
Die Schuldnerin war seit November 1998 Halterin eines Omnibusses, der einer Leasinggesellschaft sicherungsübereignet war. Durch einen Brand im September 2011 wurde der Bus völlig zerstört, er ist physisch nicht mehr existent. Ein Kaskoversicherer erbrachte die letzten Mietkaufraten an das Leasingunternehmen und eine Entschädigungsleistung an die Schuldnerin.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin. Das Insolvenzverfahren wurde im Oktober 2012 eröffnet. Im Mai 2016 meldete der Kläger das Fahrzeug ab. Das HZA erließ im Juni 2016 einen Kraftfahrzeugsteuerbescheid gegenüber dem Kläger für den Zeitraum von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Abmeldung des Fahrzeugs.
Das FG gab der Klage statt (FG des Saarlandes, Urteil vom 25.4.2018, 3 K 1422/16, Haufe-Index 11960766, EFG 2018, 1743).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des HZA als unbegründet zurück.
Hinweis
Das Besprechungsurteil beantwortet zwei Fragen:
a) Wird für ein völlig zerstörtes, aber nicht abgemeldetes Fahrzeug weiterhin Kfz-Steuer geschuldet?
b) Gehört die Kfz-Steuer für ein untergegangenes Fahrzeug zu den Masseschulden?
1. Steuergegenstand ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen. Die Steuerpflicht dauert bei einem inländischen Fahrzeug so lange an, wie es zum Verkehr zugelassen ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG).
2. Masseverbindlichkeiten sind die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Dies setzt bei einer Abgabenforderung voraus, dass sie einen Bezug zur Insolvenzmasse aufweist und erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurde.
Zur (Soll- oder Ist-)Insolvenzmasse gehören auch wertlose Gegenstände, nicht aber vollständig zerstörte und somit nicht mehr existente Sachen, da diese keine Haftungsfunktion mehr erfüllen können.
3. Für ein vor Insolvenzeröffnung untergegangenes, aber nicht abgemeldetes Fahrzeug entsteht daher weiterhin laufend Kfz-Steuer, die aber nach Insolvenzeröffnung keine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO wird. Die bloße Abmeldung eines nicht zur Masse gehörenden Fahrzeugs bewirkt i. Ü. keine Massezugehörigkeit.
Anzumerken ist, dass die Kfz-Steuer für ein nach Insolvenzeröffnung untergegangenes Fahrzeug Masseverbindlichkeit wird.
4. Aufgrund der gebotenen insolvenzrechtlichen Betrachtung stellt die Kfz-Steuer wohl auch dann keine Masseverbindlichkeit dar, wenn das Fahrzeug nicht oder nicht mehr zur Insolvenzmasse gehört, weil es z.B.
- unpfändbar ist,
- aus der Insolvenzmasse freigegeben wird,
- veräußert oder an den Eigentümer zurückgegeben wird.
Der Insolvenzverwalter sollte dies der Zulassungsstelle anzeigen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.3.2019 – III R 30/18