Leitsatz
Bei der Berechnung der LSt für einen "sonstigen Bezug", der einem (ehemaligen) Arbeitnehmer nach einem Wechsel von der unbeschränkten in die beschränkte Steuerpflicht in diesem Kalenderjahr zufließt, ist der während der Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht gezahlte Arbeitslohn im "Jahresarbeitslohn" (§ 39d Abs. 3 S. 4 i.V.m. § 39b Abs. 3 S. 7 EStG 2002) zu berücksichtigen.
Normenkette
§ 2 Abs. 7 S. 3, § 39b Abs. 3 S. 7, § 39d Abs. 3 S. 4 EStG 2002
Sachverhalt
Die Klägerin beschäftigte Arbeitnehmer, die von ihrer japanischen Muttergesellschaft nach Deutschland entsandt worden waren (sog. Expatriates). Zwischen der Klägerin als Arbeitgeberin und diesen Arbeitnehmern bestand eine Nettolohnvereinbarung, die die Übernahme etwa anfallender Steuernachforderungen durch die Klägerin einschloss. Die Arbeitnehmer erhielten neben ihren Gehaltszahlungen auch Bonuszahlungen. Im Jahr 2002 und im Jahr 2004 schied jeweils ein Arbeitnehmer aus und kehrte nach Japan zurück. Die auf die Tätigkeit in Deutschland im Rückkehrjahr entfallenden Bonuszahlungen wurden jeweils in den Ausreisejahren nachgezahlt.
Bei der Berechnung der LSt auf diese Zahlungen berücksichtigte die Klägerin den während der Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht in demselben Kalenderjahr in Deutschland bezogenen Arbeitslohn nicht. Das FA bezog hingegen den im jeweiligen Kalenderjahr während der Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht bezogenen Arbeitslohn ein, legte dabei aber aus Billigkeitsgründen die für den betreffenden Arbeitnehmer zuletzt maßgebende Steuerklasse (Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht) zugrunde.
Das FA nahm die Klägerin auf dieser Grundlage mit einem LSt-Haftungsbescheid in Anspruch. Die Klage blieb erfolglos (FG Düsseldorf, Urteil vom 04.03.2008, 17 K 3874/07 H [L], Haufe-Index 1996708, EFG 2008, 929).
Entscheidung
Der BFH hat das FG-Urteil für richtig angesehen. Er konzediert zwar gewisse rechnerische "Unschärfen", nimmt diesen Preis aber um der Handhabbarkeit des LSt-Abzugsverfahens hin.
Hinweis
Der Streitfall handelt von gewissen "Vergröberungen" bei der Berechnung und Bemessung der Jahres-LSt im Zusammenhang mit dem Wechsel von der unbeschränkten in die beschränkte Steuerpflicht. Mit "spitzem Bleistift" gerechnet, können sich infolge dieser Vergröberungen rechnerische Verzerrungen ergeben, welche im Einzelfall – und vor allem bei sog. Nettolohnvereinbarungen – ein beträchtliches Ausmaß annehmen können. Der BFH nimmt diese Verzerrungen im Interesse einer pauschalen Vorgehensweise dennoch hin. Andernfalls wären schwierige "Schattenberechnungen" vonnöten:
1. Gibt ein Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr seinen inländischen Wohnsitz auf und beendet er das Arbeitsverhältnis, dann endet seine unbeschränkte Steuerpflicht. Erfolgt auf das beendete Arbeitsverhältnis eine Nachzahlung, so führt diese zur beschränkten Steuerpflicht i.S.d. § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG. Der (bisherige) Arbeitgeber hat dann für die nachgezahlten Bezüge (i.S.d. § 38a Abs. 1 S. 3 EStG) einen LSt-Abzug nach Maßgabe des § 39d EStG vorzunehmen.
2. § 39d Abs. 3 S. 4 EStG verweist für den LSt-Abzug "im Übrigen" – also soweit § 39d EStG keine Sonderregelungen enthält – auf den LSt-Abzug nach (u.a.) § 39b Abs. 2 ff. EStG, damit auf den LSt-Abzug für unbeschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer. Daraus folgt, dass der Arbeitgeber den LSt-Abzug anhand der auf der Bescheinigung des § 39d Abs. 1 S. 3 EStG eingetragenen Besteuerungsmerkmale nach denselben Grundsätzen vorzunehmen hat wie bei einem unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer anhand der LSt-Karte.
3. § 39b Abs. 3 S. 8 (zuvor S. 7) EStG sieht vor, dass die LSt auf einen sonstigen Bezug – vereinfacht dargestellt – dem Differenzbetrag zwischen der dem voraussichtlichen Jahresarbeitslohn (laufender Arbeitslohn zzgl. bereits gezahlter sonstiger Bezüge) entsprechenden Jahres-LSt einerseits und der dem voraussichtlichen (Gesamt-)Jahresarbeitslohn (einschließlich des jetzt zu besteuernden sonstigen Bezugs) entsprechenden Jahres-LSt andererseits entspricht (s. allgemein auch R 39b.6 Abs. 2 LStR 2008). Diese Vergleichsberechnung ist erforderlich, da in dem Monat des Zuflusses von sonstigen Bezügen ein gleichmäßiger Lohnbezug im Kalenderjahr und damit die Grundannahme für die LSt-Berechnung (vgl. § 38a Abs. 3 S. 1 EStG 2002) fehlt.
Dagegen wird nun eingewandt, dass der voraussichtliche Jahresarbeitslohn bei einem beschränkt Steuerpflichtigen auf der Grundlage einer Prognoseentscheidung zu treffen sei, die infolge der Abgeltungswirkung der LSt bei einer späteren Änderung der Verhältnisse nicht mehr im Weg einer Veranlagung ausgeglichen werden könne. Der BFH misst diesem Einwand keine Bedeutung bei, jedenfalls dann nicht, wenn bei der Bemessung des "Jahresarbeitslohns" nur der tatsächlich erzielte laufende Arbeitslohn eingerechnet wird (s. R 39b.6 Abs. 3 S. 6 LStR 2008).
4. Jahresarbeitslohn i.S. dieser Vergleichsberechnung ist der Arbeitslohn, den der Arbeitnehmer (bei diesem Arbeitgeber) im Kalenderja...