Grundlage für die Berechnung des steuerfreien Arbeitslohns bleibt auch im aktuellen 183-Tage-Schreiben die Zahl der tatsächlichen Arbeitstage. Das aufzuteilende Arbeitsentgelt ist in Bezug zu den tatsächlichen Arbeitstagen zu setzen. Daraus ergibt sich ein tatsächliches Arbeitsentgelt pro tatsächlichen Arbeitstag. Das aufzuteilende Arbeitsentgelt pro tatsächlichen Arbeitstag ist mit den tatsächlichen Arbeitstagen zu multiplizieren, an denen sich der Arbeitnehmer tatsächlich im anderen Staat aufgehalten hat.
Beispiel 3:
A ist vom 1. Januar 01 bis 31. Juli 01 für seinen deutschen Arbeitgeber in Österreich tätig. Die vereinbarten Arbeitstage des A belaufen sich auf 220 Tage. Tatsächlich übt A jedoch seine vergütete Tätigkeit an 145 Tagen in Österreich und an 95 Tagen in Deutschland aus (240 Tage). Der aufzuteilende Arbeitslohn beträgt 120.000 EUR.
Der Arbeitslohn ist nach den tatsächlichen Arbeitstagen aufzuteilen. Den tatsächlichen Arbeitstagen im Jahr 01 ist das im Jahr 01 aufzuteilende Arbeitsentgelt i. H. v. 120.000 EUR gegenüberzustellen. Es ergibt sich ein aufzuteilendes Arbeitsentgelt pro tatsächlichem Arbeitstag i. H. v. 500 EUR (120.000 EUR / 240 tatsächliche Arbeitstage). Sofern keine Rückfallklauseln anzuwenden sind, stellt Deutschland Einkünfte 145 x 500 EUR = 72.500 EUR unter Progressionsvorbehalt steuerfrei und unterwirft 120.000 EUR - 72.500 EUR = 47.500 EUR (entspricht 95 x 500 EUR) der deutschen Besteuerung. A muss im Rahmen der Veranlagung die Anzahl der tatsächlichen Gesamtarbeitstage und die in Österreich verbrachten Arbeitstage nachweisen, da abkommensrechtlich nur insoweit eine Freistellung in Betracht kommt. Der Nachweis der Arbeitstage, an denen im Ansässigkeitsstaat eine Tätigkeit ausgeübt wurde, reicht nicht aus.
Homeoffice in grenzüberschreitenden Fällen
Im Bemühen, die verstärkte Tätigkeit der Arbeitnehmer im Homeoffice auch in grenzüberschreitenden Fällen abzubilden, hat das BMF im neuen 183-Tage-Schreiben vom 12.12.2023 in den Rn. 350 ff. einige grundlegende Feststellungen zum Homeoffice getroffen. Mit Hinweis darauf, dass - abgesehen von ausgewählten DBA - keine besonderen Regelungen existieren, wird auf die auch in diesen Fällen regelmäßig notwendige Aufteilung des Arbeitsentgelts nach tatsächlichen Arbeitstagen verwiesen.
Ausnahme: Luxemburg
Eine Ausnahme gilt für Luxemburg: Bereits seit einigen Jahren gibt es hier eine Konsultationsvereinbarung, nach der bis zu 19 Homeoffice-Tage für die Besteuerung im Tätigkeitsstaat unschädlich sind. Ab 2024 ist offiziell das DBA geändert worden und es ist eine Erhöhung auf immerhin 34 unschädliche Tage erfolgt (Gesetz zu dem Protokoll zur Änderung des Abkommens vom 23.4.2012 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und Verhinderung der Steuerhinterziehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 8.12.2023, BGBl 2023 Nr. 334). Bei weniger als 35 Tagen im ausländischen Homeoffice erfolgt also keine Aufteilung der Besteuerungsrechte. Zu weiteren Einzelheiten, vgl. BMF, Schreiben v. 15.1.2024, IV B 3 - S 1301-LUX/23/10001 :001.
Hinweis: In Zusammenhang mit der neuen Luxemburg-Regelung, die wohl in ähnlicher Form auch mit anderen Staaten angestrebt wird, wurde mit dem sog. Wachstumschancengesetz die beschränkte Steuerpflicht ergänzt, damit Deutschland unschädliche Homeoffice-Tage im Ausland besteuern kann (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG). Die nichtselbstständige Arbeit soll für Einkünfte nach dem 31.12.2023 als im Inland ausgeübt oder verwertet gelten, soweit ein mit dem Ansässigkeitsstaat abgeschlossenes DBA oder eine bilaterale Vereinbarung für diese Tätigkeit Deutschland ein Besteuerungsrecht zuweist.
Aufteilung im Lohnsteuerverfahren
Die Aufteilung hat bereits der Arbeitgeber im Lohnsteuerabzugsverfahren vorzunehmen. Die Regeln dafür hat die Verwaltung mit BMF-Schreiben v. 8.10.2024 (vgl. Kommentierung) neu aufgestellt. Ersetzt wurde damit das BMF-Schreiben v. 14.3.2017.
Beim laufenden Lohnsteuerabzug für den einzelnen Lohnzahlungszeitraum während des Kalenderjahres werden im Hinblick darauf, dass die endgültigen Werte für das Jahr zu diesem Zeitpunkt nicht bestimmt werden können, jetzt folgende Alternativen zugelassen:
- Aufteilung nach tatsächlichen Arbeitstagen im gesamten Beschäftigungszeitraum innerhalb eines Kalenderjahres anhand einer Prognose
- Aufteilung nach tatsächlichen Arbeitstagen im einzelnen Kalendermonat
- Aufteilung nach pauschal angesetzten Arbeitstagen im gesamten Beschäftigungszeitraum innerhalb eines Kalenderjahres
- Aufteilung nach pauschal angesetzten Arbeitstagen im einzelnen Kalendermonat
- Aufteilung nach vereinbarten Arbeitstagen im einzelnen Lohnzahlungszeitraum
Insbesondere die auch schon bisher zulässige Variante e) ist in der Praxis weit verbreitet. Als Pauschalansatz für die neuen Varianten c) und d) gibt die Verwaltung 20 Gesamtarbeitstage je Kalendermonat vor.
Innerhalb eines Dienstverhältnisses darf der Arbeitgeber während des Kalenderjahres nur nach einheitlichen Grundsätzen abrechnen. Zwischen den vorstehenden Alternativen a) - e) darf nicht gewechselt werden. Bei sonstigen Bezügen ist vorrangig eine direkte Zuordnung vorgesehen, andernfalls ist ein Aufteilung nach den Varianten a) oder c) vorzunehmen.
Beispiel 4:
Der übliche monatliche Bruttoarbeitslohn im Monat Mai des Kalenderjahres 01 beträgt 3.000 EUR. Außerdem erhält der Arbeitnehmer eine Erschwerniszulage für die Arbeitstage im Inland von 500 EUR. Der in Österreich ansässige Arbeitnehmer übt seine Tätigkeit im Mai des Kalenderjahres 01 an 5 Arbeitstagen im Inland aus. Die übrigen 10 Arbeitstage des Monats verrichtet er in seinem Homeoffice in Österreich (außerhalb der Grenzzone, die Grenzgängerregelung im DBA-Österreich findet deshalb keine Anwendung).
Lösung (nach den tatsächlichen Arbeitstagen im Lohnzahlungszeitraum, Variante b)
Der Erschwerniszuschlag von 500 EUR ist direkt der Tätigkeit im Inland zuzurechnen. Der nicht zuordenbare Betrag von 3.000 EUR wird nach dem Verhältnis der im Inland und Ausland ausgeübten Tätigkeit aufgeteilt:
Inland: 3.000 EUR x 5/15 = 1.000 EUR
Ausland: 3.000 EUR x 10/15 = 2.000 EUR
Steuerpflichtiger Gesamtlohn Inland:
500 EUR (direkt zugeordnet) + 1.000 EUR (Verhältnisrechnung) = 1.500 EUR
Ändert sich die Prognose für die Anzahl der tatsächlichen oder vereinbarten Arbeitstage in einem folgenden Lohnzahlungszeitraum, ist der neu ermittelte Aufteilungsmaßstab ab diesem Lohnzahlungszeitraum anzuwenden. Die bisher vorgenommenen Lohnabrechnungen können zunächst unverändert bleiben (siehe jedoch nachstehend zur abschließenden Ermittlung).
Anwendung Tagestabelle
Kommt es in vorstehenden Fällen zu einer Aufteilung von Besteuerungsrechten, führt das seit 2023 (eigentlich) zur Anwendung der Tagestabelle. Wenn der Arbeitnehmer in einem Kalendermonat nur zeitweise in Deutschland tätig ist, galt bis 31.12.2022, dass bei fortbestehendem Dienstverhältnis auch solche in den Lohnzahlungszeitraum fallende Arbeitstage mitzuzählen sind, für die der Arbeitnehmer keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn bezogen hat.
Ab 2023 sind demgegenüber bei der Bemessung des Lohnzahlungszeitraums Arbeitstage, an denen der Arbeitnehmer Arbeitslohn bezogen hat, der nicht dem inländischen Lohnsteuerabzug unterliegt, nicht mehr mitzuzählen (z. B. Bezug von steuerfreiem Arbeitslohn nach DBA oder nur tageweise Beschäftigung im Inland). Die Neuregelung in R 39b.5 Absatz 2 Satz 3 und 4 LStR bedeutet eine erheblich höhere Lohnsteuerbelastung für die Betroffenen.
Wichtig: Nachdem die Verwaltung es bereits für das Jahr 2023 nicht beanstandet hatte, wenn noch nach der alten Regelung verfahren und die Monatstabelle angewendet wird, hat sie die Übergangsregelung jetzt bis Ende 2024 ausgedehnt: Die Grundsätze des neuen BMF-Schreibens zur Aufteilung des Arbeitslohns im Lohnsteuerabzugsverfahren sind für den laufenden Arbeitslohn anzuwenden, der für einen nach dem 31.12.2024 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird, und für sonstige Bezüge, die nach dem 31.12.2024 zufließen. Bis dahin wird es aus Vereinfachungsgründen auch nicht beanstandet, wenn die obige Richtlinien-(Neu-)Regelung nicht berücksichtigt wird.
Ab 2025 führt aber an der Anwendung der Tagestabelle wohl kein Weg mehr vorbei. Zur Ermittlung der maßgeblichen Kalendertage kann nach H 39b.5 LStH 2024 eine der nachfolgend genannten Varianten alternativ angewendet werden:
- Bei der Ermittlung der für die Lohnsteuerberechnung maßgeblichen Tage werden die Nichtarbeitstage im Verhältnis der Arbeitstage in Deutschland zu den Gesamtarbeitstagen mit berücksichtigt.
- Bei der Ermittlung der für die Lohnsteuerberechnung maßgeblichen Tage wird vom Arbeitgeber konkret berücksichtigt, an welchen Tagen der Arbeitnehmer sich in Deutschland aufgehalten hat (Arbeitstage + Nichtarbeitstage). Der Arbeitnehmer hat dies glaubhaft zu machen.
Beispiel 5:
Ein Arbeitnehmer ist bei einem monatlichen Bruttoarbeitslohn von 10.000 EUR an insgesamt 12 Tagen in einem Monat im Ausland sowie an 8 Tagen in Deutschland tätig. Der Aufenthaltsort an Urlaubs‐, Krankheits‐ und Wochenendtagen wurde vom Arbeitgeber nicht ermittelt. Danach sind 6.000 EUR (12/20 des Arbeitslohns) in Deutschland steuerfrei und 4.000 EUR (8/20 des Arbeitslohns) in Deutschland steuerpflichtig.
Die Umrechnung des Arbeitslohns zur tageweisen Lohnsteuerberechnung ist nach dem Verhältnis der Arbeitstage in Deutschland zu den Gesamtarbeitstagen vorzunehmen (30 Kalendertage/20 Gesamtarbeitstage x 8 Arbeitstage in Deutschland = 12 Tage). Damit ist für einen Betrag von 333,33 EUR (= 4.000 EUR/12) die Tageslohnsteuer zu ermitteln und diese mit 12 zu vervielfachen.
Abschließende Ermittlung des Aufteilungsmaßstabs
Der Arbeitgeber muss den innerhalb eines Kalenderjahres durchgeführten Lohnsteuerabzug am Ende des Kalenderjahres oder bei Beendigung des Dienstverhältnisses überprüfen und bei Abweichungen korrigieren. Ab diesem Zeitpunkt ist der Arbeitgeber in der Lage, die tatsächlichen In- und Auslandstage im Beschäftigungszeitraum des Kalenderjahres zu ermitteln, die bei der Überprüfung der Lohnabrechnungen anzusetzen sind. Wahlrechte wie zuvor dargestellt, bestehen bei der (abschließenden) Überprüfung nicht mehr. Es ist stets die Anzahl der tatsächlichen Arbeitstage im In- und Ausland zu berücksichtigen. Dies gilt sowohl für die Aufteilung des verbleibenden Arbeitslohns als auch für die Ermittlung der Lohnsteuer nach der sog. Tagestabelle.
Die Korrektur des bisherigen Lohnsteuerabzugs ist nach dem Verwaltungserlass nunmehr zwingend für den jeweiligen Kalendermonat vorzunehmen. Auch bei einer Korrektur des bisherigen Lohnsteuerabzugs hat die Ermittlung der Lohnsteuer nach der sog. Tagestabelle für sämtliche Kalendermonate des Kalenderjahres bzw. des Beschäftigungszeitraums zu erfolgen.
Der Arbeitgeber hat die zu viel erhobene Lohnsteuer zu erstatten. Noch nicht erhobene Lohnsteuer hat der Arbeitgeber nachträglich einzubehalten. Soweit der Arbeitgeber aufgrund einer Änderung des Lohnsteuerabzugs nach Ablauf des Kalenderjahres nachträglich Lohnsteuer erstattet oder einbehält, handelt es sich um Lohnsteuer des abgelaufenen Kalenderjahres, die zusammen mit der übrigen einbehaltenen Lohnsteuer des abgelaufenen Kalenderjahres in einer Summe in der Lohnsteuerbescheinigung zu übermitteln oder anzugeben ist. Die nachträglich erstattete bzw. einbehaltene Lohnsteuer ist für den Anmeldungszeitraum, gegebenenfalls getrennt nach den Kalenderjahren in denen der Arbeitslohn bezogen wird oder als bezogen gilt, anzugeben und abzuführen, in dem sie erstattet oder einbehalten wurde (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).