vorläufig nicht rechtskräftig

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [X R 1/11)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtabziehbarkeit von Schuldzinsen bei Überentnahmen; Höhe der Investitionszinsen als neue Tatsache

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zur Nichtabziehbarkeit von Schuldzinsen bei Überentnahmen.
  2. Für die Berechnung der nichtabziehbaren Schuldzinsen kommt es nicht allein auf die Überentnahmen des jeweiligen VZ an, vielmehr hat eine Fortentwicklung zu erfolgen, in welcher sowohl die Überentnahmen und Unterentnahmen von Jahr zu Jahr fortgeschrieben werden.
  3. Zum Begriff der neuen Tatsache nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO.
  4. Verletzen das FA seine Ermittlungspflicht und der Stpfl. seine Mitwirkungspflicht, sind die beiderseitigen Pflichtverstöße gegeneinander abzuwägen.
  5. Bei der Höhe der Zinsen für Darlehen zur Finanzierung von AK/HK von WG des Anlagevermögens (Investitionszinsen) handelt es sich um eine Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, die zu einer höheren Steuer führt.
 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4a; AO § 173

 

Streitjahr(e)

2003, 2004, 2005

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.04.2014; Aktenzeichen X R 1/11)

BFH (Urteil vom 09.04.2014; Aktenzeichen X R 1/11)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Hinzurechnung gemäß § 4 Abs. 4a EStG zulässig ist und die Änderungsvoraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vorliegen.

Die Klägerin betreibt einen Einzelhandel mit Kunstgegenständen, Bildern, kunstgewerblichen Erzeugnissen, Briefmarken, Münzen und Geschenkartikeln. In ihren Einkommensteuererklärungen für 2003 bis 2005 erklärte sie jeweils die aus dem Einzelhandel erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb. In der Anlage GSE waren Angaben zum Saldo aus Entnahmen und Einlagen i. S. d. § 4 Abs. 4 a EStG im Wirtschaftsjahr und zu den Schuldzinsen aus der Finanzierung von Anschaffungs-/Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nicht enthalten. Aus den eingereichten Jahresabschlüssen sind die Summe der langfristigen und kurzfristigen Zinsaufwendungen, die Privatentnahmen und -einlagen und die Höhe der Investitionen ersichtlich. Eine Kürzung der Zinsaufwendungen nach § 4 Abs. 4a EStG wurde nicht erklärt. Der Beklagte veranlagte die Klägerin antragsgemäß und erließ Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre sowie Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2003 und 2005.

In der Zeit vom 21.04.2008 bis zum 24.11.2008 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Außenprüfung (Ap.) durch. Während der Ap. stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin im Jahr 2000 ein EFH mit Herstellungskosten in Höhe von 600.000 DM errichtet hatte. Die darauf entfallenden Schuldzinsen hatte die Klägerin im Wege eines Zwei-Konten-Modells als Betriebsausgaben gebucht. Die Klägerin berücksichtigte insgesamt Schuldzinsen in Höhe von 23.963 € (2003), 22.143 € (2004), 22.299 € (2005) als Betriebsausgaben.

Eine Korrektur der Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG war nicht erfolgt. Der Prüfer errechnete daher Korrekturbeträge in Höhe von 20.972 € (2003), 19.972 € (2004), 20.249 € (2005) und erhöhte die Gewinne in den Streitjahren entsprechend.

Der Beklagte änderte die Einkommensteuerbescheide 2003 bis 2005 mit Bescheiden vom 16.02.2009 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Am gleichen Tag erteilte er auch geänderte Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2003 und auf den 31.12.2005.

Gegen die geänderten Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung führte sie an, dass alle wesentlichen Tatsachen für die Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG bereits bei der erstmaligen Veranlagung bekannt gewesen seien. Denn aus dem Anlageverzeichnis könne ersehen werden, ob Schuldzinsen zur Finanzierung von Anlagevermögen angefallen seien. Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 15.04.2009 als unbegründet zurück.

Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, für sämtliche Streitjahre lägen die Änderungsvoraussetzungen des § 173 AO nicht vor. Den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre sei jeweils als Anlage ein Jahresabschluss beigefügt gewesen. Aus diesen Jahresabschlüssen sei ersichtlich gewesen, welche Gewinne die Klägerin erwirtschaftet habe, welche Entnahmen und Einlagen sie getätigt habe, welche Anschaffungen erfolgt seien und in welcher Höhe Darlehen aufgenommen und Schuldzinsen angefallen seien. Mit diesen bei der erstmaligen Veranlagung bekannt gewesenen Tatsachen hätte der Veranlagungsbeamte § 4 Abs. 4a EStG anwenden können.

Selbst wenn man mit dem Beklagten davon ausgehe, dass die Höhe der konkreten Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nachträglich bekannt geworden sei, könne hieraus keine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO abgeleitet werden, weil es sich bei den Schuldzinsen um eine steuermindernde Tatsache ...

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