rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anteil der Investitionszinsen an Schuldzinsen auf Überentnahmen als neue Tatsachen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Anteil der für die Kürzung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4a EStG unschädlichen Investitionszinsen an den insgesamt angefallenen Schuldzinsen ist eine Tatsache i. S. d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, die zu einer höheren Steuer führt; denn sie wirkt sich unmittelbar auf die Höhe der nicht abziehbaren Zinsen aus und ist damit ein Umstand, der bei der Erfüllung des gesetzlichen Tatbestands des § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigen ist.

2. Hat der Steuerpflichtige in der Steuererklärung unter Verletzung seiner Mitwirkungspflicht keine Hinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG vorgenommen und unterlässt das Finanzamt eine weitere Überprüfung, so ist es an einer nachträglichen Bescheidänderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht gehindert, sofern nicht ausnahmsweise eine Abwägung der beiderseitigen Pflichtverstöße ein deutliches Überwiegen des Pflichtverstoßes des Finanzamts ergibt.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4a; AO § 173 Abs. 1 Nr. 1

 

Tenor

Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

Der Kläger wohnt in S und betreibt in … eine Apotheke. Der Beklagte ist für die gesonderte Feststellung des Gewinns zuständig. Der Kläger reichte für die Jahre 1999 bis 2001 jeweils Erklärungen über die gesonderte Gewinnfeststellung ein und fügte Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen (GuV) bei. Die Bilanzen wiesen in den Streitjahren ein negatives Kapitalkonto aus. Aus Kapitalkontenentwicklungen, die in den Jahresabschlüssen enthalten waren, ist erkennbar, dass das negative Kapital aus Überentnahmen resultierte. Diese betrugen 1999: 102.058,90 DM und 2000: 23.351,12 DM. Die Zinsaufwendungen für kurzfristige Verbindlichkeiten betrugen ausweislich der GuV in 1999 542,86 DM, 2000 203,14 DM, für langfristige Verbindlichkeiten 1999 45.023,79 DM, für 2000 40.363,41 DM. Eine Kürzung der Zinsaufwendungen nach § 4 Abs. 4 a EStG wurde nicht erklärt. Aus den Jahresabschlüssen und den Steuererklärungen war nicht erkennbar, zu welchem Zweck Darlehen aufgenommen worden waren.

Der Beklagte erließ erklärungsgemäße endgültige Gewinnfeststellungsbescheide (für 1999: im August 2000, für 2000 im Juni 2001) ohne Hinzurechnungen nach § 4 Abs. 4a EStG. Im Rahmen einer Betriebsprüfung im Jahr 2002 wurde festgestellt, dass die Schuldzinsen für langfristige Verbindlichkeiten unter anderem ein Darlehen über 160.000 DM betrafen, das zur Finanzierung von Lieferantenverbindlichkeiten verwendet wurde. Der Prüfer ermittelte daraufhin auf Grundlage dieser Zinsen sowie von Kontokorrentzinsen Hinzurechnungsbeträge nach § 4 Abs. 4a EStG und zwar für 1999: … DM und für 2000: … DM.

Der Beklagte folgte dem und erließ am 22. Mai 2002 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte Gewinnfeststellungsbescheide. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, den der Beklagte mit Entscheidung vom 30. September 2004 als unbegründet zurückwies. Am 27. Oktober 2004 erhob der Kläger Klage.

Er beantragt,

unter Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide vom 22. Mai 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. September 2004 den Gewinn 1999 sowie 2000 jeweils ohne Hinzurechnungen nach § 4 Abs. 4a EStG festzustellen.

Zwar seien in den Feststellungserklärungen keine Hinzurechnungen nach § 4 Abs. 4a EStG erklärt worden, sie seien somit falsch gewesen. Die Änderungsbescheide hätten dennoch nicht ergehen dürfen. § 173 Abs.1 Nr. 1 AO sei nicht anwendbar. Vielmehr handele es sich um einen Subsumtionsfehler des Beklagten.

In den Bilanzen seien allgemeine Schuldzinsen, die nicht auf Anlagevermögen entfielen, mit 10.000 DM für 1999 beziehungsweise 9.000 DM für 2000 ausgewiesen, so dass mit einem flüchtigen Blick ersichtlich gewesen sei, dass aufgrund der hohen Überentnahmen der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4a EStG eröffnet gewesen sei. Der Beklagte habe vermutlich die Konsequenzen nicht richtig gezogen, weil er durch die neue Vorschrift verunsichert oder unerfahren gewesen sei. Wenn der Gesetzgeber derart komplizierte Vorschriften einführe, habe er auch seine ausführenden Beamten entsprechend zu schulen, damit diese die Umsetzung der Steuererklärungen anhand der kalenderjährlich sich ändernden Vorgaben überprüfen. Werde dies auf Seiten des Finanzamts übersehen, könne der Fall im Nachhinein nicht aufgerollt werden. Der dem Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 22. März 2007 (14 K 4079/04, juris) zugrundeliegende Fall sei nicht vergleichbar, da dort eine (fehlerhafte) Hinzurechnung vorgenommen worden sei.

Es handele sich bei der Frage, wofür die Darlehen verwendet wurden, auch nicht um ein Tatbestandsmerkmal im Sinne des § 4 Abs. 4 a EStG. Daher sei auch die spätere Erkenntnis der Verwendung des Darlehens i.H.v. 160.000 DM für Lieferantenverbindlichkeiten keine neue Tatsache i.S.d. § 173 AO, sondern völlig unerheblich. § 4 Abs. 4 a S. 5 EStG als den Kläger begünstigender Ausnahmetatbestand stelle kein Me...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?