Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO kann durch Eingangsstempel des Steuerpflichtigen nicht widerlegt werden
Leitsatz (redaktionell)
- Bei Übermittelung der Einspruchsentscheidung durch die Post gilt die Entscheidung gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer sie ist nicht oder an einem späteren Tag zugegangen.
- Grundsätzlich hat die Behörde den Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
- Bestreitet der Empfänger, den VA innerhalb der Dreitagesfrist erhalten zu haben, hat er substantiiert Tatsachen vorzutragen, die schlüssig auf einen späteren Zugang hindeuten und Zweifel an der Zugangsvermutung begründen.
- Die Zugangsfiktion kann durch den Eingangsstempel des Stpfl. nicht widerlegt werden.
Normenkette
AO § 122 Abs. 2 Nr. 1
Streitjahr(e)
2006
Tatbestand
Streitig ist, ob rechtzeitig Klage erhoben wurde.
Das Einspruchsverfahren wurde mit Einspruchsbescheid vom 06. Juni 2008 abgeschlossen. Die Rechtsmittelbelehrung lautet auszugsweise wie folgt:
„Die Frist für die Erhebung der Klage beträgt einen Monat. Sie beginnt mit Ablauf des Tages, an dem diese Entscheidung bekannt gegeben worden ist (§ 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung). Bei Zusendung durch einfachen Brief oder Zustellung mittels Einschreiben durch Übergabe gilt die Bekanntgabe mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post bewirkt, es sei denn, dass diese Einspruchsentscheidung zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. …”
Der Bescheid wurde mit einfachem Brief am Freitag, den 06. Juni 2008 zur Post gegeben. Er war an die Adresse des Klägervertreters adressiert. Die Klage ist per Telefax am Donnerstag, den 10. Juli 2008 beim Gericht eingegangen. Mit Schreiben vom 08. September 2008 beantragte der Beklagte die Klage als unzulässig abzuweisen, da die Klagefrist versäumt sei. Mit Richterbrief vom 28. Oktober 2008 wurde der Klägervertreter durch das Gericht nochmals aufgefordert ggf. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 Finanzgerichtsordnung (FGO) zu beantragen oder die Klage binnen der gesetzten Frist von zwei Wochen zurück zu nehmen. Hierauf erfolgte keine Reaktion.
Mit Datum vom 05. Dezember 2008 erging ein Gerichtsbescheid, mit dem die Klage als unzulässig abgewiesen wurde. Es wurde fristgerecht Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
Der Kläger macht geltend, dass in der Rechtsbehelfsbelehrung des Einspruchsbescheids mitgeteilt worden sei, die Monatsfrist beginne mit dem Zeitpunkt an dem der Bescheid zugegangen sei. Dies sei der 10.06.2008 gewesen wie sich aus dem Eingangsstempel des Klägervertreters ergebe. Deshalb sei die Klage fristgerecht. Ein Posteingangs- und Fristenkontrollbuch werde bei seinem Anwalt nicht geführt. Fristen würden mittels EDV überwacht. Der verspätete Zugang sei durch den Beklagten hinzunehmen. Eine rechtzeitige Aufgabe zur Post führe nicht den Beweis der früheren Zustellung.
In der mündlichen Verhandlung wurde durch den Klägervertreter zudem ausgeführt, dass die erhöhten Anforderungen an das Widerlegen der Zugangsvermutung für Rechtsanwälte und Steuerberater nicht gelten würden. Für diese Personen sei der geführte Nachweis ausreichend. Im Nachhinein könne ein Grund für den längeren Postlauf nicht mehr ermittelt werden. Möglicherweise sei mit der citipost zugestellt worden, die montags grundsätzlich nicht ausliefere. Er habe anhand des Terminkalenders und mit seiner Sekretärin festgestellt, dass er am Montag den 09. Juni 2008 sowie am Folgetag im Büro gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 07. Februar 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 06. Juni 2008 ersatzlos aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage für verfristet. Eine pauschale Behauptung des verspäteten Zugangs genüge nicht, um die Wirkung der Bekanntgabefiktion zu vermeiden. Es sei substantiierter Vortrag erforderlich, weshalb ein späterer Zugang erfolgt sei. Der abweichende Eingangsvermerk alleine genüge nicht. Eine Zustellung binnen drei Tagen sei innerhalb des Stadtgebiets üblich. Es könne auch im Büro des Klägervertreters ein „falscher” Stempel verwendet worden sein.
Die citipost sei im fraglichen Zeitraum nicht genutzt worden, in früheren Zeiten sei einmal ein privater Anbieter mit der Postzustellung beauftragt worden. Die Bediensteten des Hauses seien darüber informiert, dass die Post an Freitagen im Laufe des Vormittags zur Poststelle gebracht werden müsse. Sie werde dann zwischen 12:00 Uhr und 13:00 Uhr von der Post abgeholt. Die den Vorgang bearbeitende Mitarbeiterin habe die Einspruchsentscheidungen um 7:05 und 7:33 Uhr am 06. Juni 2008 ausgedruckt und im Laufe des Vormittags zur Post gebracht. Sie sei an diesem Tag gegen 13:00 Uhr gegangen. Deshalb sei von einer Postaufgabe am 06. Juni 2008 auszugehen.
Das Verfahren wurde durch Beschluss des Senats vom 05. Mai 2009 der Berichterstatterin zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags wird auf die zur Gerichtsakte g...