Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Rückstellung im Einzelunternehmen eines GmbH-Geschäftsführers, der sich nach § 826 BGB schadensersatzpflichtig gemacht hat
Leitsatz (redaktionell)
- Die zivilrechtliche Haftungsinanspruchnahme für ein Fehlverhalten als Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft kann nicht zur Bildung von Rückstellungen und somit zu einer Gewinnminderung im Einzelunternehmen des Geschäftsführers führen.
- Die Tätigkeit als Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft ist zivil- und steuerrechtlich von dessen Einzelunternehmen unabhängig.
Normenkette
HGB § 249; EStG § 4 Abs. 1
Streitjahr(e)
1992
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger wegen mehrerer Schadensersatzforderungen eine Rückstellung in der Gewinnermittlung seines Immobilienmaklerbüros bilden kann.
Der Kläger hat für das Streitjahr keine Steuererklärungen abgegeben. Der Beklagte schätzte deshalb die Besteuerungsgrundlagen und erließ am 25. Januar 1995 den angefochtenen Einkommensteuerbescheid. Den Einspruch wies er zurück, da der Kläger keine Begründung abgab.
Dagegen richtet sich die Klage. Im Klageverfahren hat der Kläger seine Einkommensteuererklärung 1992 abgegeben. In der beigefügten Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) hat der Kläger einen Betrag von 175.665,80 DM zu Lasten des Gewinns seines Einzelunternehmens gebucht, den der Beklagte nicht anerkennen will. Dieser Buchung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger war bis zu deren Konkurs im Jahre 1988 beherrschender Gesellschafter und Alleingeschäftsführer der X-Bau-GmbH (GmbH). Daneben betrieb er – jedenfalls bis zum Streitjahr – ein Einzelunternehmen X-Immobilien. Dieses befasste sich mit der Planung und Bauaufsicht für die GmbH. Als Gegenleistung für diese Tätigkeit erhielt das Einzelunternehmen 4,5 % der Baukosten.
Durch Urteil vom 12. Oktober 1992 verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) O. den Kläger zum Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - i.V.m. § 1 des Gesetzes über die Sicherung von Bauforderungen (GSB, vom 1. Juni 1909, Schönfelder Nr. 32) und § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Nachteil des Tischlermeisters W. i.H.v. 152.937,-- DM. Darüber hinaus hat der Kläger mit dem Malermeister R. einen Vergleich über 23.282,-- DM geschlossen.
Im Urteil des OLG O. wird ausgeführt:
„Der Beklagte (Kl. des FG-Verfahrens) hat dem Kläger (Tischler W.) in Höhe der noch anhängigen Klageforderung auch Schadensersatz wegen sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB zu zahlen. Er hat die X-Bau-GmbH so geführt, dass sie zwangsläufig in den Ruin geraten und daraus hohe Verluste der Gläubiger resultieren mussten. Dabei hat er seine Eigeninteressen so abgesichert, dass er selbst bei einem Zusammenbruch des Unternehmens vor größerem wirtschaftlichen Schaden verschont blieb. Er hat sich nämlich für jedes der von der X-Bau-GmbH durchgeführte Bauvorhaben neben seinem Geschäftsführergehalt eine Provision von 4,5 % der Nettokosten ausbedungen und nach eigenem Eingeständnis für alle Bauvorhaben auch abgezweigt. Da er diese Einkünfte unabhängig davon erzielte, ob die X-Bau-GmbH mit Gewinn arbeitete, ging sein Interesse dahin, bis zum Zusammenbruch des Unternehmens möglichst viele Bauvorhaben durchzuführen und sich selbst mit einer beachtlichen Entnahme aus den eingehenden Baugeldern zu befriedigen. ...
Der Beklagte hat durch die Art und Weise, wie er die X-Bau-GmbH geführt hat, den Kläger in sittenwidriger Weise geschädigt. Er war Hauptgesellschafter (zu 95 %) und Alleingeschäftsführer der GmbH. ...
Diese Verlagerung des Geschäftsrisikos auf die Subunternehmer ist sittenwidrig. Sein Verhalten ist auch besonders verwerflich vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zur Haftung für den qualifizierten faktischen Konzern (vgl. BGHZ 115, 187). Selbst wer dem Bundesgerichtshof (BGH) nicht darin folgen mag, dass sich eine verschuldensunabhängige Haftung des beherrschenden Unternehmens für Verbindlichkeiten des beherrschten ergibt, wird ihm darin folgen müssen, dass eine Haftung des herrschenden Alleingesellschafters immer dann gegeben sein muss, wenn er seine eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse unter Hintanstellung der wirtschaftlichen Belange der Gesellschaftsgläubiger durchsetzt. So ist der Beklagte jedoch verfahren.”
Auf die Revision hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Revision nicht angenommen werde; die Feststellungen des OLG O. trügen aber im Ergebnis eine Verurteilung nach § 826 BGB.
Der Kläger ist der Auffassung, die Schadensersatzverpflichtungen müssten den Gewinn seines Einzelunternehmens mindern. Er verweist auf die Rechtsprechung des BGH zum qualifiziert faktischen Konzern; danach ziehe er, der Kläger, nur die steuerlichen Konsequenzen aus der zivilrechtlichen Rechtslage.
Der Kläger beantragt,
die Einkommensteuer 1992 nach Maßgabe der eingereichten Einkommensteuererklärung herabzusetzen.
Der Beklagte ist bereit, der eingereichten Einkommensteuererklärung zu folgen, jedoch den Gewinn um 175.665,80 DM zu erhöhen.
Er...