Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftliche Belastung durch Schulden eines vermögenslosen Ehegatten
Leitsatz (redaktionell)
- Für die Abzugsfähigkeit einer tatsächlich bestehenden Schuld oder Last ist nicht allein der rechtliche Bestand entscheidend. Es muss auch eine tatsächliche und wirtschaftliche Belastung des Leistungsverpflichteten vorliegen.
Normenkette
BewG § 119 Abs. 1; VSt § 4 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1
Streitjahr(e)
1991, 1992, 1994, 1995
Nachgehend
Tatbestand
Umstritten ist, ob Schulden der Klägerin (Kl.'in) die Bemessungsgrundlage der Vermögensteuer (VSt) mindern.
Die in den Jahren…und…geborenen Kläger (Kl.) sind miteinander verheiratet. An den Stichtagen besaß der Kl. erhebliches Vermögen.
Die Kl'in war früher zu 50 v.H. persönliche haftende Gesellschafterin der „... OHG” gewesen, die im Jahre…in Konkurs fiel. Die OHG war zu diesem Zeitpunkt mit nahezu 15 Mio DM überschuldet. Das Konkursverfahren wurde am…mangels Masse eingestellt.
Die Kl'in geht davon aus, dass die Hälfte der Schulden der ehemaligen OHG in Höhe von…(ca. 7,5 Mio) DM auf sie als haftende Gesellschafterin entfiel, wobei sie einen – in seiner Durchsetzbarkeit fraglichen – Innen-Ausgleichsanspruch gegen ihren ehemaligen Mitgesellschafter .... berücksichtigte. Im übrigen ist die Kl'in vermögenslos. Soweit sie früher pfändbare und verwertbare Vermögensgegenstände besaß, wurden diese von dem Konkursverwalter verwertet.
In der Zeit nach dem Konkurs wurde die Kl.'in von einer Vielzahl von Gläubigern nachdrücklich zur Zahlung ihrer Schulden aufgefordert. Teilweise befriedigte der Kl. die Gläubiger aus seinem eigenen Vermögen. Wegen der Höhe der geltend gemachten und der tatsächlich erfolgten Zahlungen wird auf die Aufstellung Bl.…Bezug genommen.
In den angefochtenen VSt-Bescheiden setzte das FA das Vermögen des Kl. wie erklärt an. Dagegen verweigerte es den Abzug der auf dem Konkurs beruhenden Schulden der Kl'in.
Das Vorverfahren blieb erfolglos. Im Klageverfahren erklärte sich das FA zunächst bereit, auf die Stichtage 01.01.1991 und 01.01.1992 jeweils…(ca. 700.000) DM, auf den 01.01.1994 einen Betrag von… (ca. 65.000) DM und auf den 01.01.1995 einen Betrag von…(ca. 60.000) DM zum Abzug zuzulassen sowie wegen möglicher weiterer Forderungen von Gläubigern die angefochtenen Bescheide mit einem Vorläufigkeitsvermerk zu versehen. In der mündlichen Verhandlung zog das FA sein Angebot jedoch zurück.
Die Kl. tragen vor:
Auch wenn der Kl. zivilrechtlich nicht verpflichtet gewesen sei, Schulden seiner Ehefrau zu bezahlen, habe er sich dieser Notwendigkeit praktisch nicht immer entziehen können. Andernfalls wäre das Leben der Eheleute in einer kleineren Stadt wie…unerträglich geworden. Das habe der Kl. sich und seiner Ehefrau nicht antun können. Überdies sei an den Stichtagen damit zu rechnen gewesen, dass von verschiedenen Gläubigern noch weitere Forderungen in Höhe von mindestens 300.000 DM – möglicherweise mit Erfolg – geltend gemacht werden würden. Das sei auch heute noch durchaus möglich.
Die Kl. beantragen,
weitere Schulden bei der VSt-Veranlagung in folgender Höhe zu berücksichtigen:
01.01.1991 |
ca. 1.000.000 DM |
01.01.1992 |
ca. 1.000.000 DM |
01.01.1994 |
ca. 900.000 DM |
und die VSt auf den 01.01.1995 auf 0 DM festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es meint, bereits aus Rechtsgründen könnten die Verbindlichkeiten der Kl'in die VSt der Eheleute nicht mindern. Für die vermögenslose Kl'in würden ihre Schulden keine wirtschaftliche Belastung darstellen, denn es sei praktisch ausgeschlossen, dass sie jemals etwas würde bezahlen können. An diesem Ergebnis ändere sich auch nichts, soweit der Ehemann Beträge tatsächlich selbst gezahlt habe oder mit Zahlungen rechnen musste. Denn da er zivilrechtlich nicht verpflichtet sei, könne er frei entscheiden, ob er zahlen wolle oder nicht; somit lägen freiwillige Zahlungen des Kl. vor.
Im übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die geltend gemachten Schulden sind bei der Ermittlung des vermögensteuerpflichtigen Vermögens der Kl. aus folgenden Gründen abzuziehen:
Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 Vermögensteuergesetz (VStG) unterliegt der Vermögensteuer (VSt) das Gesamtvermögen. Das Vermögen von Ehegatten wird für die Ermittlung des Gesamtvermögens zusammengerechnet, wenn sie nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 VStG zusammen zur VSt zu veranlagen sind, § 119 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG). Beschränkt steuerpflichtige Ehegatten werden nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 VStG zusammen veranlagt, wenn sie nicht dauernd getrennt leben. Bei der Zusammenveranlagung wird das Vermögen der Ehegatten auch dann zusammengerechnet, wenn der eine Ehegatte überschuldet ist, also kein steuerpflichtiges, sondern ein negatives Vermögen besitzt. In diesem Fall ist das negative Vermögen des einen mit dem positiven Vermögen des anderen Ehegatten zu saldieren. Die Abzugsfähigkeit der Schulden des einen Ehega...