Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurechnung von Umsatzsteuerverbindlichkeiten aus einer neu aufgenommenen Tätigkeit des Insolvenzschuldners zu den Masseverbindlichkeiten trotz Unkenntnis des Insolvenzverwalters von der Nutzung eines zur Masse gehörenden Wirtschaftsguts
Leitsatz (redaktionell)
- Masseverbindlichkeiten sind u. a. solche, die durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden.
- Masseverbindlichkeiten müssen nicht zwingend allein durch Handlung eines Insolvenzverwalters begründet werden. USt-Verbindlichkeiten können als Masseverbindlichkeiten auch durch erneutes Tätigwerden des Insolvenzschuldners entstehen und zwar unabhängig davon, ob eine Verwendung der Insolvenzmasse mit oder ohne Kenntnis und Zustimmung des Insolvenzverwalters erfolgt.
Normenkette
InsO § 25 Abs. 1 Nr. 1; UStG § 13a Abs. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2
Streitjahr(e)
2006
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund einer neuen gewerblichen Tätigkeit des Insolvenzschuldners entstandenen Umsatzsteuern eine Masseverbindlichkeit darstellen.
Über das Vermögen des Insolvenzschuldners wurde im Jahr 2000 das Insolvenzverfahren eröffnet. Als Insolvenzverwalter wurde der Kläger bestellt. Am 4. Januar 2006 nahm der Insolvenzschuldner eine neue gewerbliche Tätigkeit in den zur Insolvenzmasse gehörenden Büroräumen auf dem Grundstück „X-Straße” in V. auf. Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2006 setzt der Beklagte den Kläger über die Gewerbeanmeldung in Kenntnis. Gemäß Vermerk des Klägers vom 22. Februar 2006 erklärte der Insolvenzschuldner diesem am 21. Februar 2006 im Rahmen eines Telefonats, dass er sein Gewerbe nicht mehr auf dem Grundstück „X-Straße” betreiben und dieses auf die Y-Straße ummelden wolle. Ausweislich einer Gewerbeummeldung vom 23. Februar 2006 meldete der Insolvenzschuldner sein Gewerbe in die Y-Straße um. Die gewerbliche Nutzung der Büroräume auf dem Grundstück „X-Straße” durch den Insolvenzschuldner erfolgte jedoch weiterhin. Am 18. Dezember 2006 erklärte der Kläger die vorbehaltlose Freigabe des Objektes. Am 25. September 2007 meldete der Insolvenzschuldner das Gewerbe unter der Hauptniederlassung „X-Straße” ab.
In der Zeit vom 28. Juli - 13. September 2006 führte der Beklagte beim Insolvenzschuldner eine Umsatzsteuersonderprüfung durch. Da der Insolvenzschuldner seine neue gewerbliche Tätigkeit in Räumen ausübte, die nach Auffassung des Beklagten zur Insolvenzmasse gehörten, setzte dieser die Umsatzsteuer 2006 mit Bescheid vom 4. Mai 2007 gegenüber der Insolvenzmasse fest. Der festgesetzte Betrag in Höhe von 33.819,66 € setzt sich zusammen aus den eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen der Monate Januar - Oktober 2006 sowie einer Hinzuschätzung des Beklagten für den Zeitraum 1. November - 17. Dezember 2006.
In dem hiergegen gerichteten Einspruchsverfahren trug der Kläger vor, dass die Nutzung des Objektes durch den Insolvenzschuldner gegen seinen ausdrücklichen Willen erfolgt sei. Werde ein zur Insolvenzmasse gehörender Gegenstand jedoch unberechtigter Weise genutzt, so könne eine Verbindlichkeit der Insolvenzmasse nicht entstehen. Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück, da § 55 Abs. 1 Nr. 1 Insolvenzordnung (InsO) zur Begründung von Masseverbindlichkeiten ausschließlich darauf abstelle, dass diese durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet würden. Ob die Verwendung mit oder ohne Wissen und Zustimmung des Insolvenzverwalters erfolge sei unbeachtlich.
Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, dass eine Verpflichtung der Insolvenzmasse nicht begründet worden sei, da die Nutzung des der Insolvenzmasse zugehörigen Objektes durch den Insolvenzschuldner gegen seinen ausdrücklichen Willen erfolgt sei. Bereits in den Jahren 2000 und 2005 habe er in seiner Funktion als Insolvenzverwalter erklärt, dass eine Freigabe von Insolvenzmasse für eine vom Insolvenzschuldner angestrebte neue gewerbliche Tätigkeit nicht in Betracht komme. Unterlagen über die Nutzungsuntersagungen aus den Jahren 2000 und 2005 könnten jedoch nicht vorgelegt werden. Ausweislich seines Aktenvermerkes vom 22. Februar 2006 habe der Kläger dem Insolvenzschuldner ausdrücklich die Nutzung der im Streit stehenden Büroräume untersagt. Darauf habe der Insolvenzschuldner sein Gewerbe am 23. Februar 2006 in die Y-Straße umgemeldet. Der Kläger durfte ab 23. Februar 2006 daher davon ausgehen, dass eine Nutzung der zur Insolvenzmasse gehörenden Büroräume nicht mehr erfolge. Die weitergehende Nutzung der Räume im Objekt „X-Straße” durch den Insolvenzschuldner bis einschließlich 13. September 2006 werde allerdings nicht bestritten. Für die Folgezeit bestreite der Kläger jedoch die Nutzung durch den Insolvenzschuldner mit Nichtwissen. Kontrollen seinerseits seien nicht durchgeführt worden.
Der Kläger beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 2006 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Bekl...