vorläufig nicht rechtskräftig
Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt
Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksame Bekanntgabe eines Zinsbescheids
Leitsatz (redaktionell)
- Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird.
- Nach Absendung des schriftlichen Verwaltungsaktes kann ein Widerruf nur durch schriftliche Mitteilung bzw. durch Verwaltungsakt erfolgen. Das gilt jedenfalls dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt selbst der Schriftform unterlag.
- Da ein Zinsbescheid der Schriftform unterliegt, muss auch der Widerruf des Zinsbescheides schriftlich erfolgen.
Normenkette
AO § 124 Abs. 1 S. 1, § 157 Abs. 1 S. 1, § 239; BGB § 130 Abs. 1 S. 2
Streitjahr(e)
2005
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Zinsbescheid vom 06.10.2005 wirksam bekannt gegeben wurde.
Die Kläger stritten vor dem Finanzgericht über die Höhe der festzusetzenden Einkommensteuer für 1991, die hinsichtlich des streitigen Teils bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Rechtsstreit ausgesetzt war. Nach endgültiger Erfolglosigkeit der Klage setzte der Beklagte Aussetzungszinsen mit Bescheid vom 06.10.2005 für die Dauer vom 28.08.2001 bis zum 15.10.2005 in Höhe von 36.015 Euro fest. Der Bescheid wurde am selben Tag vormittags von der Poststelle des Beklagten zum Postamt gebracht und aufgegeben. Nach einem Aktenvermerk des Bearbeiters vom 06.10.2005 hat er wiederum noch an diesem Tag nach Absendung des Bescheides mit einem Mitarbeiter des empfangsberechtigten Steuerbüros telefoniert und diesem mitgeteilt, dass der am heutigen Tage abgesandte Zinsbescheid nicht bekannt gegeben werden solle, da er inhaltlich falsch sei.
Mit Zinsbescheid vom 17.10.2005 setzte der Beklagte nunmehr Zinsen in der richtigen Höhe von 67.620 Euro für die Zeit vom 21.01.1998 bis 15.10.2005 fest. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Einspruch ein mit der Begründung, dass der Bescheid vom 06.10.2005 wirksam geworden sei. Eine Änderungsvorschrift läge nicht vor.
Der Beklagte wies den Einspruch durch Entscheidung vom 20.12.2005 als unbegründet zurück. Das Steuerbüro sei bereits am 06.10.2005 über die Aufgabe des Bekanntgabewillens benachrichtigt und am 07.10.2005 nochmals erinnert worden. Zudem lägen die Voraussetzungen des § 129 AO vor, da die Erstfestsetzung dadurch zustande gekommen sei, dass sich der Sachbearbeiter in der Zeile versehen habe.
Im Klageverfahren tragen die Kläger vor, der Bescheid vom 06.10.2005 sei wirksam bekannt gegeben worden. Die Aufgabe des Bekanntgabewillens sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, als der Bescheid den Herrschaftsbereich der Behörde bereits verlassen gehabt habe. Der danach erfolgte Anruf habe den Bekanntgabewillen nicht mehr beseitigen können. Eine Änderungsmöglichkeit liege ebenfalls nicht vor.
Die Kläger beantragen,
den Festsetzungsbescheid über Aussetzungszinsen vom 17.10.2005 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 20.12.2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Bescheid vom 06.10.2005 sei nicht wirksam geworden. Der Sachbearbeiter habe am Nachmittag des 06.10.2005 die Fehlerhaftigkeit des Zinsbescheids bemerkt und noch am selben Tag mit einem Mitarbeiter des Steuerbüros der Kläger telefoniert. Dabei sei dem Mitarbeiter erläutert worden, dass der Bescheid nicht bekannt gegeben werden solle. Hierüber sei auch ein Aktenvermerk gefertigt worden. Am nächsten Tag sei nochmals an den Sachverhalt erinnert worden. Demzufolge sei der Bescheid nicht wirksam geworden. Der Zinsbescheid vom 17.10.2005 habe folglich ergehen dürfen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist begründet.
1. Der Beklagte durfte den Bescheid vom 06.10.2005 nicht ändern, da er mit Zugang beim Prozessbevollmächtigten der Kläger wirksam geworden ist. Eine Korrekturvorschrift liegt
– unstreitig – nicht vor. Aus den Akten lässt sich weder erkennen, worauf der Fehler bei Erstellung des Bescheides vom 06.10.2006 beruht noch sind die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift nach §§ 172 ff. AO erfüllt.
2. Der Bescheid vom 06.10.2005 ist mit dem Zugang beim Empfangsbevollmächtigten der Kläger wirksam geworden. Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird (§ 124 Abs. 1 S. 1 AO).
Der Zinsbescheid ist dem empfangsberechtigten Steuerberater wirksam bekannt gegeben worden. Bekanntgabe bedeutet die mit Willen der Behörde erfolgende Eröffnung (Kundgabe) des Verwaltungsaktes an den Betroffenen (vgl. Pahlke in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, § 122 Rz. 6 m. w. N.). Der Verwaltungsakt wird insbesondere dann nicht wirksam, wenn seine Bekanntgabe ohne Bekanntgabewillen erfolgte (vgl. BFH-Urteil vom 12.08.1996 – VI R 18/94, BStBl. II 1996, 627). Der Bekanntgabewille wird indes bei der abschließenden Zeichnung der Aktenverfügung durch den zuständigen Amtsträger gebildet und...