Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Ausschluss einer verdeckten Gewinnausschüttung aufgrund eines möglicherweise bestehenden Ersatzanspruches
Leitsatz (redaktionell)
- Mit der Gesamtrechtsnachfolge tritt ein Erbe sowohl im Besteuerungsverfahren als auch im Rechtsbehelfsverfahren und im Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit an die Stelle des Erblassers.
- Die Nachlassverwaltung hindert den Erben nicht, die Aufhebung von gegen den Erblasser ergangenen Steuerbescheiden zu betreiben.
- Zu den Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung
- Ein etwaiger Ersatzanspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter steht der Einstufung als verdeckte Gewinnausschüttung nicht entgegen. Denn ein solcher etwaiger Ersatzanspruch ist grds. eine Einlageforderung, die das Einkommen der Gesellschaft nicht erhöht und daher den Eintritt einer Vermögensminderung bei der Gesellschaft nicht verhindert.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1; BGB § 1922
Streitjahr(e)
1996
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob das Finanzamt (FA) berechtigt war, den Einkommensteuerbescheid des Jahres 1996 zu ändern und eine verdeckte Gewinnausschüttung i.H.v. ca. 452.000 DM als Einnahme bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anzusetzen.
Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin ihres während des Klageverfahrens verstorbenen Ehemannes. Für dessen Nachlass wurde Nachlassverwaltung angeordnet. Der verstorbener Ehemann der Klägerin war Gesellschafter-Geschäftsführer der T-Handelsgesellschaft mbH und - neben dem Gesellschafter-Geschäftsführer X - zu 50 % an der Gesellschaft beteiligt. Zweck des Unternehmens der T-GmbH war der Import, Export und der inländische Warenhandel.
Die T-GmbH hatte im Streitjahr Einkaufs- und Verkaufsgeschäfte über Kabelarmierungsstahldraht abgeschlossen. Die in Rechnung gestellten Beträge zahlten die Leistungsempfängern per Scheck. Diese Schecks löste nicht die T-GmbH, sondern der Gesellschafter T, auf seinem privaten Konto ein. Auch die Einkaufsrechnungen beglich er von seinem privaten Konto. Die T-GmbH berücksichtigte die Geschäftsvorfälle in ihrer Bilanz zunächst nicht. Insgesamt wurden auf diese Weise zusätzlich netto 555.259 DM Umsatzerlöse erzielt und netto 102.948 DM Wareneinkäufe getätigt. Die T-GmbH erzielte aus den – zunächst nicht verbuchten - Geschäften einen Gewinn i.H.v. 452.310 DM (= 555.259 DM abzgl. 102.948 DM).
Mit Schreiben vom März 1999 unterrichtete der verstorbene Ehemann der Klägerin das Finanzamt H sowie das beklagte Finanzamt darüber, dass er bisher nicht erklärte Geschäfte im Namen der Firma T-GmbH getätigt habe. Die T-GmbH wies in ihrer nunmehr geänderten Bilanz zum 31.12.1996 und in den Folgebilanzen bis zum 31.12.2000 eine Forderung in Höhe von ca. 452.000 DM gegen T aus. Im Jahre 2001 verrechnete die GmbH die Forderung mit Zahlungen des T auf ihre Körperschaftsteuer und Gewerbesteuerverbindlichkeiten und erließ den Restbetrag i.H.v. ca. 182.000 DM.
Der Beklagte änderte im Juni 1999 den Einkommensteuerbescheid unter Hinweis auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO). In der Anlage zu dem Steuerbescheid heißt es wörtlich: „Er ergeht vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Kapitalvermögen, da u.a. die Höhe der tatsächlich zugeflossenen Einnahmen und der anzuerkennenden Werbungskosten noch nicht abschließend beurteilt werden konnte ...”. Wegen weitere Einzelheiten wird auf den Einkommensteuerbescheid vom 23. Juni 1999 nebst Anlagen verwiesen. Der verstorbene Ehemann legte gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid Einspruch ein und begründete diesen mit Einwendungen hinsichtlich mittlerweile nicht mehr streitiger Punkte (Einbeziehung von Zinsen auf einem Kautionskonto i.H.v. 56 DM sowie die Nichtanerkennung von Gesellschafterzinsen).
Mitte April des Jahres 2000, noch während des Einspruchsverfahrens, erhielt das beklagte FA eine Kontrollmitteilung des FA H. Danach sollen die vom verstorbenen Ehemann der Klägerin nacherklärten Kapitalerträgen zu verdeckten Gewinnausschüttungen i.H.v. 452.310 DM geführt haben. Ende Mai 2000 änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid unter Hinweis auf § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO, indem er die Einkünfte aus Kapitalvermögen um 452.310 DM wegen der nachträglich erklärten Zuflüsse auf dem privaten Konto des verstorbenen Ehemannes erhöhte. Den Einspruch der Kläger wies das FA sodann zurück. Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Einkünfte aufgrund der verdeckten Gewinnausschüttung der T-GmbH an ihren verstorbenen Ehemann hätten nicht mehr im Änderungsbescheid vom 29.05.2000 berücksichtigt werden dürfen. Der Einkommensteuerbescheid habe mangels Ermächtigungsgrundlage nicht geändert werden dürfen. Die Änderungsvorschrift des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO sei nicht einschlägig, da der Körperschaftssteuerbescheid kein Grundlagenbescheid für die Einkommensteuerveranlagung des verstorbenen Ehemanns darstelle. Auch eine andere Änderungsvorschrift greife nicht ein. Die Änderungsvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO scheide schon deshalb aus, weil d...