Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkludente Gestattung der Ist-Besteuerung durch das Finanzamt
Leitsatz (redaktionell)
- Grundsätzlich ist die USt nach vereinbarten Entgelten zu berechnen, soweit nicht § 20 UStG gilt.
- Auf Antrag kann das FA gestatten, dass ein Unternehmer, der bestimmte Voraussetzungen erfüllt, die Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet.
- Für die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten bedarf es eines Antrags, aufgrund dessen das FA die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten durch formlosen VA gestattet haben muss.
- Musste das FA erkennen, dass eine Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten erfolgt ist und hat es das entspr. „abgehakt”, hat das FA durch die beantragte Besteuerung einen konkludenten Antrag auf Gestattung der Ist-Besteuerung konkludent genehmigt.
Normenkette
UStG § 20 Abs. 1 Nr. 1
Streitjahr(e)
2006, 2007, 2008
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Rechtsvorgängerin des Klägers die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten vornehmen durfte.
Der Kläger ist ein Verein, der durch Verschmelzung des Beratungs- und Erzeugerrings Walchum X e.V. hervorgegangen ist. Im Jahre 2003 ermittelte dieser Verein seinen Gewinn wie auch in den Folgejahren durch Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs.3 EStG) und erklärte in seinen Umsatzsteuererklärungen die Umsätze nach vereinnahmten Entgelten. Die Umsatzsteuer wurde entsprechend den eingereichten Umsatzsteuererklärungen festgesetzt. Anlässlich einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Streitjahre stellte der Prüfer fest, dass der Verein seiner Meinung nach keine Genehmigung für die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten gehabt habe. Am 17. November 2011 erließ der Beklagte, das Finanzamt (FA), entsprechende Änderungsbescheide und wies die Einsprüche hiergegen mit Bescheid vom 20. März 2012 als unbegründet zurück. Den eingereichten Umsatzsteuererklärungen sei nicht zu entnehmen gewesen, dass eine Ist-Versteuerung vorgenommen wurde. Lediglich den der Körperschaftsteuererklärung beigefügten Gewinnermittlungen sei zu entnehmen gewesen, dass der Verein von der Ist-Besteuerung Gebrauch gemacht habe. Jedoch sei keine ausdrückliche Genehmigung auf Ist-Versteuerung erteilt worden, auch wenn den Steueranmeldungen seitens des FA gefolgt worden sei.
Mit seiner hiergegen gerichteten Klage trägt der Kläger vor, das FA habe die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten durch die Handhabung bereits in Vorjahren genehmigt gehabt.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung der Umsatzsteuerbescheide vom 17. November 2011 und er Einspruchsentscheidung vom 20. März 2012 die Umsatzsteuer für 2006 auf 9.552,98 €, für 2007 auf 10.058,02 € und für 2008 auf 9.716,34 € festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten sei nicht genehmigt worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Die Umsatzsteuerbescheide vom 17. November 2011 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FA hat die Umsatzsteuer zu Unrecht gemäß § 16 Abs. 1 UStG nach vereinbarten Entgelten und nicht gemäß § 20 UStG nach vereinnahmten Entgelten berechnet.
Die Umsatzsteuer ist gemäß § 16 Abs. 1 UStG grundsätzlich nach vereinbarten Entgelten zu berechnen soweit nicht § 20 UStG gilt. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung kann das Finanzamt auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer, dessen Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 250.000,- EUR betragen hat, die Steuer nicht nach vereinbarten Entgelten, sondern nach vereinnahmten Entgelten berechnet.
Für die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten anstelle der Regelbesteuerung nach vereinbarten Entgelten ist ein Antrag notwendig, auf Grund dessen das FA nach pflichtgemäßem Ermessen die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten durch formlosen Verwaltungsakt (§ 118 Satz 1 der Abgabenordnung) gestattet haben muss. Die Bekanntgabe braucht nicht förmlich, sie kann auch durch eine erkennbare Gestattung der beantragten Besteuerung bekannt gegeben werden. Wenn das FA keine oder keine nach außen erkennbare Entscheidung getroffen hat, fehlt es an einer Gestattung (BFH-Beschluss vom 28. August 2002 V B 65/02, BFH/NV 2003, 210). Vergleichbares gilt auch für die Frage, ob der Unternehmer bei der Abgabe einer Voranmeldung, bei der die Besteuerungsgrundlagen nach tatsächlichen Einnahmen erklärt worden sind, konkludent hierdurch auch einen Antrag auf Gestattung der Ist-Besteuerung gestellt hat. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist dies allenfalls dann der Fall, wenn der Voranmeldung deutlich erkennbar zu entnehmen ist, dass die Umsätze auf der Grundlage von Ist-Einnahmen erklärt worden sind (BFH-Beschluss vom 11. Mai 2011 V B 93/10, BFH/NV 2011, 1406).
Vorliegend liegt ein konkludenter Antrag auf Gestattung der Ist-Besteuerung und eine entsprechende Genehmigung vor, denn spätestens für 2003 war ein...