Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen
Leitsatz (redaktionell)
- Steuerbescheide sind nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Stpfl. kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.
- Der bloße Umstand, dass nach dem Ergehen von Schätzungsbescheiden betr. Einkommensteuer und Umsatzsteuer die entsprechenden Steuererklärungen erst nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereicht werden und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu versagen ist, reicht allein nicht aus, grobes Verschulden des Stpfl. anzunehmen.
- Im Rahmen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist es Aufgabe des FA, ggf. ein grobes Verschulden des Stpfl. nachzuweisen, denn grds. ist davon auszugehen, dass Fehler des Stpfl. im Regelfall auf einem Versehen, also auf leichter Fahrlässigkeit beruhen.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 110
Streitjahr(e)
1995
Tatbestand
Trotz Aufforderung durch das Finanzamt (FA) hatte der Kläger (Kl.), der von Beruf Steuerberater ist, die Einkommen- und die Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr nicht abgegeben. Das FA schätzte daher die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Einkommensteuer auf ... DM und die Umsatzsteuer auf ... DM fest. Mit Bescheid vom…setzte das FA einen Verspätungszuschlag zur Einkommensteuer in Höhe von ... DM fest.
Mit auf den…datiertem Schreiben, das ausweislich des Eingangsstempels am…bei dem FA einging, legte der Kl. Einspruch gegen den Verspätungszuschlag zur Einkommensteuer ein. Zugleich fügte er die Einkommen- und die Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr und eine Kopie eines Einspruchsschreibens vom .... gegen den Einkommen- und den Umsatzsteuerbescheid vom…bei. Aus der vorgelegten Einkommensteuererklärung ergab sich gegenüber den geschätzten Besteuerungsgrundlagen neben anderen Steuerminderungen u.a. ein um ca. .... DM niedrigerer Gewinn des Kl. aus seiner selbständigen Arbeit, aus der vorgelegten Umsatzsteuererklärung eine um ca. .... DM geringere Zahllast.
Nachdem der Kl. vom FA darauf hingewiesen worden war, dass ein Original des Einspruchsschreibens nicht vorliege, legte der Kl. im Einzelnen dar, dass er am…Einspruch eingelegt und diesen Einspruch zusammen mit Unterlagen seiner Mandanten…und dem FA übersandt habe. Weiterhin fügte er eine Ablichtung einer Seite des Postausgangsbuchs bei, auf der vermerkt war:
„ Est
... Einspr. selbst .”
Mit Schriftsatz vom…beantragte der Kl. vorsorglich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist. Mit Einspruchsbescheiden vom…verwarf das FA die Einsprüche als unzulässig. Die dagegen gerichteten Klagen hat der Senat mit rechtskräftigen Urteilen…als unbegründet abgewiesen. Der Senat ist bei seinen Entscheidungen davon ausgegangen, dass der Kl. nicht nachgewiesen habe, dass sich das Einspruchsschreiben in dem Briefumschlag befunden habe, in dem die Unterlagen der Mandanten…und…dem FA übersandt worden sind. Der rechtzeitige Eingang des Einspruchs beim FA sei daher nicht feststellbar. Eine Wiedereinsetzung scheide aus, weil der Wiedereinsetzungsantrag nicht innerhalb der Monatsfrist des § 110 Abs. 2 Satz 1 AO gestellt worden sei und den Kl. überdies ein Verschulden daran treffe, dass der Postausgang in seinem Büro nicht ordnungsgemäß kontrolliert worden sei.
Mit Schriftsatz vom…beantragte der Kl., den Einkommen- und den Umsatzsteuerbescheid gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern, da ihn an dem nachträglichen Bekanntwerden der sich aus den vorgelegten Steuererklärungen nebst Gewinnermittlungen ergebenden neuen Tatsachen und Beweismittel kein grobes Verschulden treffe. Mit Bescheid vom…wies das FA den Änderungsantrag zurück. Das FA wies darauf hin, dass den Kl. schon deshalb ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der steuermindernden Tatsachen treffe, weil er trotz mehrmaliger Aufforderung durch das FA die Steuererklärungen nicht fristgerecht eingereicht habe. Den Einspruch wies das FA mit Einspruchsbescheid vom…als unbegründet zurück.
Hiergegen richten sich die vorliegenden Klagen. Der Kl. trägt vor, dass er rechtzeitig vor Ablauf der Einspruchsfrist das Einspruchsschreiben gefertigt und an das FA übersandt habe. Er habe daher davon ausgehen können, dass der Einkommen- und der Umsatzsteuerbescheid unter Berücksichtigung der erstellten Steuererklärungen geändert werden würde. Die Steuererklärungen habe er nicht früher vorlegen können, weil seine EDV-Anlage vollständig ausgefallen sei und Daten der Mandanten dabei verloren gegangen seien. Es hätten daher zunächst die Steuererklärungen der Mandanten vordringlich bearbeitet werden müssen. Danach treffe ihn aber kein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der sich aus den Steuererklärungen ergebenden neuen Tatsachen.
Der Kl. beantragt,
den Ablehnungsbescheid vom…und den Einspruchsbescheid vom .... aufzuheben und das Finanzamt zu verpfli...