Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Ein Minderjähriger bedarf zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters. Räumen Eltern ihrem minderjährigen Kind einen Nießbrauch an einem Grundstück ein, bedarf es regelmäßig der Bestellung eines Pflegers, weil das mit dem Nießbrauch verbundene gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Eigentümer und Nießbraucher neben Rechten auch Pflichten des Nießbrauchers begründet und der Nießbraucher daher nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt. So ist der Eintritt des Nießbrauchers in die Vermieterstellung insoweit als rechtlich nachteilig anzusehen. Daher ist auch in den Fällen des Bruttonießbrauchs die Mitwirkung des Ergänzungspflegers erforderlich, wenn der Nießbraucher in bestehende Mietverhältnisse eintreten oder zur Vermietung verpflichtet werden soll.
Die Verpflichtungen des Nießbrauchers gegenüber dem Eigentümer ergeben sich insbesondere aus der
Pflicht zur Erhaltung der Sache, wobei Ausbesserungen und Erneuerungen ihm nur insoweit obliegen, als sie zu der gewöhnlichen Unterhaltung der Sache gehören,
- Versicherungspflicht der Sache und
- der Pflicht zur Lastentragung.
Da es bei der Frage, ob ein Rechtsgeschäft nur einen rechtlichen Vorteil bringt, nicht auf die wirtschaftliche Bewertung, sondern allein auf die rechtlichen Folgen ankommt, liegt in diesen persönlichen Verpflichtungen des Nießbrauchers bereits ein rechtlicher Nachteil.
Besonderheiten bei Anordnung einer Ergänzungspflegschaft
Für die Praxis ist von Bedeutung, dass
- die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft nach einer Entscheidung des BFH nur für die Bestellung, nicht jedoch für die Dauer des Nießbrauchs erforderlich ist. Die Verwaltung hat sich dieser Auffassung angeschlossen;
- die Bestellung des Nießbrauchs auch ohne Mitwirkung eines Ergänzungspflegers nach Auffassung der Finanzverwaltung dann einkommensteuerlich anzuerkennen ist, wenn das Familiengericht die Mitwirkung eines Ergänzungspflegers für entbehrlich gehalten hat.
Kein Gestaltungsmissbrauch bei unentgeltlichem Zuwendungsnießbrauch an minderjährige Kinder
Die unentgeltliche Zuwendung des Nießbrauchs an einem vermieteten Grundstück von den Eltern an ihre im Zeitpunkt der Genehmigung des Vertrags 14 und 10 Jahre alten Kinder kann steuerrechtlich anzuerkennen sein, mit der Folge, dass die Vermietungseinkünfte den Kindern persönlich zuzurechnen sind. Dass die Kinder "keine Möglichkeit hatten, das Grundstück aktiv zu verwalten", weil sie einen bestehenden Mietvertrag übernommen und erfüllt haben und eine ordentliche Kündigung des Mietvertrags für die Laufzeit des Nießbrauchs ausgeschlossen war, ist diesbezüglich irrelevant.